Massive Kritik an der Qualitätsanalyse

Kategorien: Mitgliederinformation, PressemitteilungVeröffentlicht: 30.10.2019

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

nachfolgend erhalten Sie unsere Mitgliederinformation mit einer Kritik an der Qualitätsanalyse.

Nach unseren Informationen sollen der Referenzrahmen für Schulqualität und der daraus resultierende Unterrichtsbeobachtungsbogen neu erarbeitet werden. Dies nimmt der Philologen-Verband NW zum Anlass, seine Haltung noch einmal zu verdeutlichen.

Grundsätzlich erinnern wir an unsere Haltung gegenüber dem unter der Vorgängerregierung erarbeiteten sogenannten „Referenzrahmen“, den wir ablehnen. Darüber hinaus kritisieren wir den ideologisch ausgerichteten Qualitätsbegriff, der schulformspezifische Qualitätsansprüche negiert, sowie den sich daraus ergebenden Unterrichtsbeobachtungsbogen.

Die Qualitätsanalyse (QA) ist unserer Ansicht nach in der jetzigen Form nicht zielführend.

Wir kritisieren:

  • die Konzentration auf die Einzelschule bei der Bewertung von Qualität. Die Bewertung sollte immer in Abhängigkeit von Ressourcen gesehen werden und – im mehrgliedrigen System NRWs – im Kontext der anderen Schulen vor Ort.
  • den fehlenden gymnasialen Schulformbezug. Denn guter Unterricht am Gymnasium sollte gemäß Richtlinien wissenschaftsorientiert sein und zur Mündigkeit erziehen.
  • die Außerachtlassung erreichter fachlicher Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler. Diese Erfolge machen gute Schule aus; dem Referenzrahmen sind sie gleich.
  • das Reduzieren der Merkmale guten Unterrichts auf das rein Methodische. Die Didaktik bestimmt die Methodik und nicht umgekehrt. Der Kriterienkatalog guten Unterrichts konterkariert die methodische und pädagogische Freiheit der Lehrkräfte. Er propagiert stattdessen eine Ausweitung des selbstgesteuerten und individualisierten Lernens, obwohl wissenschaftliche Studien nicht erst seit Hattie nahelegen, dass diese Methode weniger erfolgreich ist als lehrerzentrierter Unterricht, der v.a. auf Beziehung aufbaut.
  • die Ausrichtung des Referenzrahmens auf den Umbau innerer Strukturen von Schule (Teamentwicklung in Teamstunden, mehr Kooperation zum Beispiel durch kollegiale Hospitation ohne Unterfütterung durch Ressourcen) statt auf Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler.
  • dass die Fachlichkeit im Unterricht keine Rolle spielt. Die Kriterien sind ausschließlich auf „Heterogenität“ ausgelegt.
  • den nach wie vor sehr hohen bürokratischen Aufwand in der Vorbereitung.
  • den Ablauf. Dazu gehören: die Struktur der Unterrichtsbeobachtungen mit zu kurzen Beobachtungssequenzen, das „Auftreten“ vieler QA-Expertinnen und Experten als „Prüferinnen und Prüfer“, den zum Teil fehlenden persönlichen Schulformbezug, die Art und Weise der Befragungen wie zum Beispiel sehr viele Suggestivfragen und den zu starren Fragebogen.
  • die Form der Auswertung mit einem zum Teil konstruierten Hineinpressen aller Ergebnisse in ein Balkendiagramm, um vermeintlich eine wissenschaftliche Exaktheit vorzugaukeln. Darüber hinaus werden Merkmalsausprägungen wie „nicht-beobachtet“ und „nur mit schlechter Qualität beobachtet“ in einen Topf geworfen.
  • die fehlende konstruktive, weiterführende Begleitung bzw. Unterstützung. Handlungsempfehlungen werden in verbindliche Zielvereinbarungen überführt, die aber nicht diskutier- oder verhandelbar sind. Damit werden „fremde Ziele“ zu angeblich eigenen Zielen gemacht. Es handelt sich letztendlich um Anweisungen der Behörde. Wenn ein Kollegium nicht selbst Rückschlüsse aus den Ergebnissen ziehen kann, dann werden die Zielvereinbarungen nicht ehrlich und konstruktiv verfolgt werden.
  • dass den Schulen mancherorts mit einem „Ranking“ gedroht wird, welches unter dem Vorzeichen des Informationsfreiheitsgesetzes nicht auszuschließen ist. Dies wäre absolut fatal. Vor allem vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Argumente. Das derzeitige Konzept der QA widerspricht den Aussagen im Koalitionsvertrag zur Qualitätsentwicklung und der Befürwortung eines mehrgliedrigen Schulsystems völlig.

Wir bleiben daher bei unseren Forderungen:

  1. Die Qualität der Schulform auf hohem Niveau weiterzuentwickeln.
  2. Die QA im Zuge des Aufbaus von G9 zur Entlastung von Kolleginnen und Kollegen auszusetzen oder zur Unterstützung von Kollegien auf ganz bestimmte, sehr begrenzte Kriterien „buchbar“ zu machen mit wenig bürokratischem Aufwand.
  3. Gleichzeitig eine angemessene schulformbezogene Evaluation vorzunehmen, damit die Weiterentwicklung in allen Teilen zu einer tatsächlich auf Qualitätsverbesserung angelegten Ausrichtung optimiert werden kann.
  4. Erst nach dieser Evaluation angemessene Anpassungen vorzunehmen.

Sabine Mistler,
Landesvorsitzende Philologen-Verband NW