Stellungnahme für den Gedankenaustausch zum Thema: Welche Szenarien sind geplant, um Abschlüsse für alle Schulformen zu ermöglichen?

Kategorien: Aktuelles, StellungnahmeVeröffentlicht: 07.04.2020

An den Ausschuss für Schule und Bildung

Stellungnahme für den Gedankenaustausch am 08.04.20, 11:00 Uhr zum Thema:
Welche Szenarien sind geplant, um Abschlüsse für alle Schulformen zu ermöglichen?

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

der Philologen-Verband NW dankt Ihnen für die Möglichkeit der Stellungnahme zur o.a. Frage der Abschlüsse und als Ergänzung zu unserer Stellungnahme zum Corona-Gesetzentwurf.
Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt gemäß des KMK Beschlusses davon aus, dass das Abitur und die übrigen zentralen Abschlussprüfungen in NRW auch in diesem Jahr stattfinden.
Vorrang vor allen Entscheidungen muss aber die Gewährleistung des Infektionsschutzes und damit die Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit von Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schülern und allen anderen am Schulleben beteiligten Personen sein. In diesem Zusammenhang gehen wir davon aus, dass zunächst eine Einigung auf der Ebene der Ministerpräsidenten herbeigeführt wird, die eine grundsätzliche Aussage zu der Beibehaltung bzw. der Fortsetzung der Schließung der Schulen herbeiführen möge. Unabhängig davon, zeigt das Bundesland Hessen, dass eine reibungslose Durchführung des Abiturs auch in Zeiten der Schulschließungen möglich sind.

Von dieser Entscheidung abhängig sind aus unserer Sicht weitere Aspekte zu berücksichtigen:

  • Der Infektionsschutz muss den aktuellen wissenschaftlichen Standards Genüge leisten.
  • Es bedarf einer klaren Definition, welcher Personenkreis den Risikogruppen zuzurechnen ist. Die Angehörigen der Risikogruppen sind vom Schulleben fernzuhalten – inwiefern Menschen, die mit den Angehörigen der Risikogruppen in einem Haushalt leben, am Schulleben teilnehmen können, ist sorgfältig zu prüfen.
  • Die Durchführung der Prüfungen muss unter Berücksichtigung der räumlichen, personellen und hygienischen Voraussetzungen sichergestellt sein.
  • Im Rahmen der Verlegung der Prüfungstermine um drei Wochen wäre die Notwendigkeit gegeben, allen Abiturientinnen und Abiturienten durch den Abschluss ihrer Vorklausuren die Möglichkeit zu geben, das reguläre Zulassungsverfahren für den Einstieg in die Abiturprüfungen zu absolvieren.
  • Wenn unter diesen Prämissen Prüfungen durchgeführt werden können, bevorzugen wir diese Lösung gegenüber einem bloßen Anerkennungsabitur.
  • Dies ist für uns vor allem deshalb ein vordringliches Anliegen, damit den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit gegeben wird, ihre bisherigen Leistungen zu verbessern und die Vergleichbarkeit der Abschlüsse und damit Rechtssicherheit und Qualität sicherzustellen.
  • Aus diesem Grund wünschen wir uns auch ein deutschlandweit abgestimmtes Verfahren, um eine Vergleichbarkeit der Abitur-Abschlüsse zu erlangen.
  • Im Falle einer konkreten Entscheidung zur Durchführung der Abiturprüfungen, sind noch viele weitere offene Fragen dringend zu klären.
  • Sollte man im Sinne einer Ultima Ratio final zu dem Schluss kommen, dass das Abiturprüfungsverfahren auszusetzen ist und auf der Basis der Vornoten ein Abschluss vergeben wird, müsste auch dies unserer Auffassung nach möglichst über einen bundesweiten Konsens entschieden werden.
  • Für die Kolleginnen und Kollegen, die von der Korrektur der Abiturklausuren und der anderen zentralen Prüfungsarbeiten betroffen sind, müssen in der Korrektur-Phase weitgehende und ausreichende Entlastungsmöglichkeiten geschaffen werden, die es ihnen erlauben, ihrer verantwortungsvollen Aufgabe in angemessener Weise nachzukommen.
  • Im Sinne des gegliederten Schulsystems ebenso wie im Sinne der Schülerinnen und Schüler, möchten wir unsere Bedenken aus unserer Stellungname zum Entwurf des Corona-Gesetzes noch einmal verdeutlichen, ich beziehe mich hier auf Artikel 10, § 3
    Satz 3
    Für die Entscheidung über die weiteren Schullaufbahn ist die Gesamtdauer der Erprobungsstufe relevant. Zum Zeitpunkt der Schulschließungen waren dies 1,5 Jahre und 1,5 Monate. Das müsste aus unserer Sicht eine ausreichende Grundlage für eine entsprechende Einschätzung sein. Sollte der Unterricht, wie auch immer, fortgesetzt werden können, wäre somit die Möglichkeit gegeben, dass Schülerinnen und Schüler sich verbessern, nicht aber verschlechtern können.Satz 5
    Entsprechend sehen wir dies im Zusammenhang mit der Eröffnung einer grundsätzlichen Möglichkeit zur Aussetzung der Versetzung (§ 50 Abs. 1 Schulgesetz) für die Jahrgangsstufen 9 und 10. Schülerinnen und Schüler, die aufgrund des Halbjahreszeugnisses sowie ihrer bisherigen Leistungen eine schlechte Versetzungsprognose haben, würden in die EF beziehungsweise in die Q1 übergehen.Damit sehen wir die grundsätzliche Gefahr, dass diesen Schülerinnen und Schülern an den Gymnasien die Möglichkeit eines Abschlusses vorenthalten wird. Bezogen auf die Jahrgangsstufe 9 bedeutet dies möglicherweise der fehlende Abschluss der 10. Klasse wie auch eine Nicht-Versetzung in die Q1 am Ende des folgenden Schuljahres. Für die Schülerinnen und Schüler der jetzigen EF bedeutet dies u.U. den Einstieg in die Qualifikationsphase mit einer negativen Prognose im Hinblick auf den erfolgreichen Abschluss des Abiturs. Hier stellen wir uns ein analoges Verfahren zu Satz 3 vor. Dies bedeutet konkret eine Versetzungsentscheidung auf der Grundlage der zuvor erbrachten Leistungen. Ein weiteres Problem sehen wir für Schülerinnen und Schüler der jetzigen Q1, deren bisherige Leistungen bereits abiturrelevant sind. Wir brauchen hier eine klare Aussage des Ministeriums.
    Diesen Vorschlägen vorangestellt müsste die klare Aussage stehen, dass sich Schülerinnen und Schüler, sollte ein Wiedereinstieg in den Unterricht in diesem Halbjahr erfolgen, nur verbessern, nicht aber verschlechtern können.
    Darüber hinaus muss zum Schutze und zur Entlastung der Lehrkräfte dafür gesorgt werden, dass sowohl alternative Formen der Leistungsüberprüfung zulässig als auch eine angemessene großzügige Entlastung für korrekturbelastete Lehrerinnen und Lehrer ermöglicht werden.
    Wir stellen uns vor, dass der Gesetzgeber eine konkrete Aussage dazu treffen kann, welche Bedeutung die Noten des 2. Halbjahres 2020 haben.

Düsseldorf, den 07. April 2020

Mit freundlichen Grüßen

gez. Sabine Mistler

-Vorsitzende des PhV NW-