Bildungsgerechtigkeit herstellen und Lehrkräftemangel gemeinsam bekämpfen – Alle Akteure an einen Tisch!
Bildungsgerechtigkeit herstellen und Lehrkräftemangel gemeinsam bekämpfen
– Alle Akteure an einen Tisch!
Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 17/7541
Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung und des Wissenschaftsausschusses am 22.04.2020
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
hiermit bedanken wir uns für die Möglichkeit der Stellungnahme in der o.a. Angelegenheit, zu Bildungsgerechtigkeit und Lehrkräftemangel.
Der Philologen-Verband NW stellt fest, dass die Unterbesetzung durch Lehrkräfte an den Grundschulen eine sehr ernstzunehmende und äußerst schwierige Situation in der Beschulung der Grundschülerinnen und Grundschüler darstellt. Lehrkräfte in der Grundschule haben eine bedeutende Schlüsselfunktion in der Unterstützung der Entwicklung der Kinder und in Bezug auf den Aufbau eines soliden Fundaments für ihren weiteren Schul- bzw. Lernerfolg.
Wir sind ebenfalls überzeugt davon, dass eine solide schulformbezogene universitäre und lehrpraktische Ausbildung nicht durch Seiten- bzw. Quereinstieg oder durch eine Lehrerausbildung mit dem Lehramt S I oder S II entsprechend angemessen ersetzt werden kann. Dennoch war es ein wichtiger Schritt von Seiten der Landesregierung, die „Bleibeoption“ im Sinne der Möglichkeit einer Verbeamtung zu ermöglichen.
Die Überhangsituation an den Gymnasien ist faktisch da, es darf allerdings nicht übersehen werden, dass auch hier, sicherlich in anderen Quantitäten aber dennoch spürbar, ebenfalls fachspezifische sowie standortbezogene Unterhänge bestehen. Die im Antrag beschriebene Versorgungsproblematik in sogenannten sozialen Brennpunktbereichen gibt es auch an der Schulform Gymnasium und natürlich an Gesamtschulen. Zudem bildet die Heterogenität der Schülerschaft für die integrierten Systeme und auch für die Gymnasium keine unwesentliche Herausforderung, stellen diese Schulformen sich hier der Aufgabe und dem Ziel, die Schülerinnen und Schüler auf den Abschluss der allgemeinen Hochschulreife vorzubereiten.
Die bisher vom Ministerium initiierten Maßnahmen zur Lehrergewinnung sind durchaus vielfältig und wohl überlegt. Die Schaffung weiterer Studienplätze verbunden mit der Lehrerimagekampagne sind natürlich auf eine längerfristige Perspektive angelegt, so dass diese faktisch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht greifen können. Auch die weiteren Maßnahmen, die über die sogenannten Maßnahmenpakete in Angriff genommen wurden, konnten bislang auch noch nicht den gewünschten Erfolg bringen. Eine Anhebung der Besoldung würde das Problem des Lehrkräftemangels an den Grundschulen auch nicht kurzfristig beheben. Der Philologen-Verband NW sieht allerdings seine Einschätzung bestätigt, dass Lehrkräfte mit einer Lehrerausbildung zum Lehramt GY/GE nicht ohne Weiteres an Grundschulen unterrichten können und wollen, was übrigens auch von Grundschullehrern bestätigt wird. Nicht nur die Ausbildung unterscheidet sich, sondern auch die Schwerpunktsetzung der Tätigkeit ist eine komplett andere. Es sind für beide Lehrämter unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten mitzubringen. Die Ausbildung des Lehramts GY/GE ist im Besonderen ausgerichtet auf die Vermittlung einer vertieften Allgemeinbildung. Damit setzen die Lehramtsstudierenden bereits bei der Wahl des Lehramts einen Schwerpunkt ihrer zukünftigen Lehrtätigkeit. Im Bereich des Lehramts Grundschule dürfte die Schwerpunktsetzung eher auf anderen pädagogischen Faktoren beruhen. Es ist uns wichtig, dass diese Beschreibung hier keiner Wertung unterliegt.
Wir teilen die im Antrag beschriebene Auffassung nicht, dass sowohl die fehlende Reform der Besoldung als auch das unterschiedliche Wochendeputat ausschließlich zu der beschriebenen „Unwucht“ in der Berufswahl der angehenden
Lehrkräfte geführt hat. Vielmehr weisen wir darauf hin, dass hier auch die unterschiedlichen pädagogischen und fachlichen Herausforderungen sehr entscheidend für die Schwerpunktsetzung der Lehrtätigkeit sind.
Sicherlich hat die Attraktivität der Ausbildung zum Grundschullehramt auch dadurch sehr gelitten, dass die enorm wichtige Arbeit der Grundschulkolleginnen und Grundschulkollegen in den letzten Jahren durch viel zu große Klassen, zu wenig Unterstützungspersonal und durch die großen Aufgaben im Zusammenhang mit Inklusion und Integration in ganz besonderer Weise belastet ist.
Wir können daher den Wunsch nach einer Besoldungserhöhung und einer Reduzierung des Stundendeputats sehr gut nachvollziehen.
Dennoch glauben wir, dass der im Antrag skizzierte Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtstundenzahl und der Eingangsbesoldung auf der einen Seite und der Beliebtheit der Schulform bei Studierenden auf der anderen Seite durchaus kritisch hinterfragt werden darf.
So fehlen auch im Bereich der Sonderpädagogik (Eingangsbesoldung A 13) in erheblichem Maße Lehrkräfte, und die Schulform Sekundarschule (25,5 Pflichtstunden) hat ebenfalls Probleme bei der Besetzung freier Lehrerstellen.
Den Hinweis auf die ungleiche Arbeitszeitverteilung können wir nicht nachvollziehen, da alle Studien und die empirischen Befunde zur arbeitszeitlichen Belastung der Lehrkräfte auf die extrem hohe zeitliche Belastung auch der Lehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen verweisen.
Bezogen auf die Aussagen bzw. Forderungen im Rahmen des Erreichens einer sogenannten Bildungsgerechtigkeit, gehen wir davon aus, dass die Landesregierung hier zeitnah einen Vorschlag einbringen wird, wie sie Bildungsgerechtigkeit ermöglichen wird.
Der PhV NW ist gerne bereit, sich an der Lösung der im Antrag der SPD beschriebenen „Herkulesaufgabe“ zu beteiligen. Da wir in der NRW-Schulpolitik in der Vergangenheit nicht unbedingt nur positive Erfahrungen mit den Ergebnissen „Runder Tische“ gemacht haben, würden wir das Projekt eher als „Bündnis gegen den Lehrkräftemangel“ bezeichnen wollen.
Düsseldorf, den 15. April 2020
Mit freundlichen Grüßen
gez. Sabine Mistler
-Vorsitzende des PhV NW –