Statement zum Fach Wirtschaft

Kategorien: Aktuelles, StellungnahmeVeröffentlicht: 20.08.2020

Wie bereits beim Fach Informatik in der Sekundarstufe I ist die Einführung eines zweiten neuen Faches auf der Grundlage von „Umschulungen“ von Bestandslehrkräften durch Zertifikatskurse nicht akzeptabel. Eine Stärkung des Gymnasiums sowie der Qualität desselben kann nur durch langfristig ausgebildetes Fachpersonal erfolgen.

Zudem haben die Lehrkräfte in NRW mit der Fakultas Sozialwissenschaften seit Jahren in ihrem Unterricht selbstverständlich auch ökonomische Inhalte vermittelt.

Aus dem Interview des Staatssekretärs in der Wirtschaftswoche vom 03. August 2020 “Die Kritik am Schulfach Wirtschaft ist gegenstandslos” ergeben sich für uns zudem viele offene Fragen. Es wird nicht ersichtlich, welche Inhalte Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung der Sozialwissenschaften nicht befähigen sollen, das Schulfach Wirtschaft-Politik auch nach einem zukünftigen Lehrplan Wirtschaft-Politik weiterhin unterrichten zu können.

Zum Hintergrund:
Dem Fach Sozialwissenschaften wird in NRW seit Jahrzehnten eine recht große Bedeutung zugesprochen. Schülerinnen und Schüler müssen Sozialwissenschaften in der Qualifikationsphase verpflichtend belegen. Wenn sie es nicht als Gesellschaftswissenschaften durchgängig in der gesamten Qualifikationsphase gewählt haben, dann müssen zwei Kurse Sozialwissenschaften in der Q2 belegt werden. Der dem Fach Sozialwissenschaften so zugeschriebene essenzielle Wert bzw. der Wert der zugehörigen Kompetenzen kann und darf nicht durch die Einführung des Faches Wirtschaft verfallen.

In diesem Sinne könnte das Fach Wirtschaft aus unserer Sicht, wenn überhaupt, nur als ergänzendes Angebot im Aufgabenfeld in der Sekundarstufe II begriffen werden. Schon bisher wurden in den Fächern Politik und Sozialwissenschaften ökonomische Themen behandelt. Der neue Kernlehrplan für die Sekundarstufe I beispielsweise bringt hier bereits einige Erweiterungen. Wirtschaftliche und politische Aspekte stehen in enger Interdependenz zueinander. Der Sozialstaat Deutschland greift durch seine Gesetze und Vorgaben in mehrfacher Weise in die Wirtschaft ein. Somit ist die Vernetzung von Wirtschaft und Politik gegeben, die auch entsprechend verstanden werden muss. Umgekehrt bestimmen auch viele wirtschaftliche Zusammenhänge, Fakten des Handelns der Politik und haben dadurch einen großen Einfluss auf die Gesellschaft (Soziologie). Somit stehen wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Aspekte in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander. Würde der Schwerpunkt auf die Wirtschaft gelegt, halten wir es für sehr wahrscheinlich, dass in der Vermittlung diese Sicht der wechselseitigen Abhängigkeit und Komplexität möglicherweise fehlen bzw. zu kurz kommen könnte.

Das Interview der Wirtschaftswoche finden Sie unter folgendem Link: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/bildungspolitik-die-kritik-am-sc…