Rechtsrahmen zum Lernen auf Distanz
Aus vielen Rückmeldungen und Belastungsanzeigen, die wir aktuell von zahlreichen Mitgliedern aus dem ganzen Land per Mail, persönlich, aber auch im Rahmen von Veranstaltungen, Wahlkampf- und Personalratsterminen erhalten, wird ein erhebliches Maß an Verunsicherung und vor allem zusätzlicher Arbeitsbelastung und -verdichtung deutlich. Viele Lehrkräfte sehen sich aktuell sehr hohen Erwartungen von Seiten des Dienstherrn und der Eltern und darüber hinaus einer pauschalierenden öffentlichen Kritik ausgesetzt.
Weiterer Regelungs- und Präzisierungsbedarf und offene Fragen
Mit der Zweiten „Verordnung“ zur befristeten Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen gemäß § 52 Schulgesetz NRW trifft das Land notwendige, aber befristete rechtliche Regelungen für das Lernen auf Distanz und deklariert gleichzeitig den Präsenzunterricht als Regelfall. Lernen auf Distanz ist ein Notfallinstrument, falls dem Infektionsschutz nicht genüge getan werden kann oder nicht genug Lehrkräfte aufgrund des Pandemiegeschehens zur Verfügung stehen. Die Verordnung tritt frühestens Ende September in Kraft. Nichtsdestotrotz wird in den Gymnasien, Gesamtschulen und Weiterbildungskollegs bereits mit Hochdruck an ihrer Umsetzung gearbeitet.
Aus Sicht des Philologen-Verbands Nordrhein-Westfalen (PhV NW) sind jedoch einige relevante Aspekte nicht hinreichend geklärt, die etwa im Rahmen von Verwaltungsvorschriften noch zu regeln sind: Für unerlässlich werden entsprechende Verwaltungsvorschriften für die Leistungsbewertung beim Lernen auf Distanz erachtet. Dazu gehören klare Aussagen dazu, unter welchen Bedingungen eine Schülerleistung (z. B. in Form einer schriftlichen Aufgabenbearbeitung) rechtlich von der Lehrkraft als schülereigene Leistung angesehen und bewertet werden kann. Ein eindeutiger Verweis auf die gesetzlich sehr hohen Maßstäbe für die Feststellung des Infektionsgeschehens wird als notwendig erachtet. Auch muss eine Doppelbelastung von Lehrkräften ausgeschlossen werden, die die Vorbereitung leisten sowie Präsenz- und Distanzunterricht (z. B. für Schülerinnen und Schüler in häuslicher Quarantäne) erteilen. Der PhV NW hält es zudem für unabdingbar, digital gestützten Unterricht nur unter Beachtung der Vorgaben der LDI durchzuführen.
Unübersichtliche Ausgangslage, hohes Tempo und große Erwartungen bedingen deutlich erhöhte Arbeitsbelastung
Das Lernen auf Distanz bietet ohne Zweifel eine Fülle an neuen Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung und ist gleichermaßen mit hohen Erwartungen und Belastungen behaftet. Ein Novum ist für uns alle das Tempo und der Druck, mit dem seitens der Entscheidungsträger vorgegangen wird. Diese Hast hat sich in der Vergangenheit selten als Erfolgsgarant für Schulreformen erwiesen.
Unzählige Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen aus den Schulen zeigen, dass Lernen auf Distanz zu einer verschärften Belastungssituation von Lehrkräften führt, u. a. durch
- die Parallelität von Präsenzunterricht und Lernen auf Distanz in einer Lerngruppe und die damit verbundene doppelte Unterrichtsvorbereitung, da Präsenzunterricht nicht eins zu eins in Distanzunterricht umgewandelt werden kann.
- die Erwartung umfassender individueller Rückmeldungen auf alle Schülerbeiträge seitens Eltern und Schülern.
- die stark erhöhte Anzahl von Aufsichten im Schulalltag, die zur Wahrung des Infektionsschutzes unerlässlich sind.
- Probleme beim Infektionsschutz infolge der lokalen Gegebenheiten und fehlender bzw. unzureichender zeitnaher Unterstützung durch den Schulträger.
Grundlegende Gelingensbedingungen beim „Lernen auf Distanz“
Damit Unterricht mit digitalen Medien gelingt, brauchen Lehrkräfte mehr zeitliche Ressourcen, geeignete Unterstützungsmaterialien, Entlastung und Support auf technischer Ebene sowie qualitätsvolle Angebote in der Lehrerfort- und -ausbildung. Die Lehrkräfte entscheiden über den Einsatz digitaler Medien vor dem Hintergrund ihrer pädagogischen Freiheit.
Zudem führen die mit der Digitalisierung einhergehenden Kommunikationsmöglichkeiten nicht selten zum Anspruch einer ständigen und sofortigen Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und Überprüfbarkeit von Lehrkräften und gefährden so die zwingend notwendige Abgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben.
Der Dienstherr muss hier durch wirksame und verbindliche rechtliche Regelungen und Vorgaben seiner Fürsorgepflicht nachkommen und zudem entsprechende und landesweit einheitliche Informationen zu den Bereichen Datenschutz, Urheberrecht und informationelle Selbstbestimmung bereitstellen.
Wir kämpfen für Sie!