Stellungnahme zum Entwurf der Vierten Verordnung zur Änderung der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung (Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung – OVP)

Kategorien: Aktuelles, StellungnahmeVeröffentlicht: 11.01.2021

§ 4 Abs. 3
Der PhV NW begrüßt die vorgenommenen Ergänzungen, z.B. in Hinsicht auf die Einreichung des Master-Zeugnisses, die Erleichterungen für die Hochschulen und Einstellungsbehörden bedeuten und sich bewährt haben sowie für die Bewerberinnen und Bewerber von Vorteil sind. So tragen sie u.a. dazu bei, dass längere Wartezeiten zwischen Abschluss des Studiums und Aufnahme des Referendariats vermieden werden.

Zu begrüßen ist auch, dass bislang nicht hinreichend deutliche Bestimmungen hinsichtlich der Einreichung des Zeugnisses bei den Bezirksregierungen und der Anerkennungsbehörde nunmehr eindeutig geregelt werden.

§ 8a Abs. 1 Satz 1
Die Ergänzung des Verweises auf das SGB IX stellt eine hilfreiche Klarstellung für schwerbehinderte Menschen dar. Wünschenswert wäre aber die Ergänzung eines vierten Punktes in Absatz (6), der eine Regelung für den Fall trifft, dass eine Schwerbehinderung erst während der Lehrerausbildung eintritt, und der davon betroffenen Kollegin oder dem davon betroffenen Kollegen den sofortigen Eintritt in ein Ausbildungsverhältnis in TZ ermöglicht.

§ 9
Die Verankerung eines Fortbildungsangebotes für schulische Ausbilderinnen und Ausbilder im Rechtstext ist aus Sicht des PhV NW sinnvoll.

§10
Eine Neufassung des Paragraphen erscheint ratsam. Natürlich sollte alles unternommen werden, um die Qualität der Lehrerausbildung zu heben. Falls wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen in der Praxis vorliegen, die belegen, dass Formate des Distanzlernens in der Lehrerausbildung in NRW in dieser Hinsicht zweckdienlich sind, so sollte durchaus geprüft werden, ausgewählte Formate des Distanzlernens für die Implementierung in der Lehrerausbildung einzubauen. Dies kann freilich erst nach wissenschaftlich begleiteten Versuchen in der Praxis und unter Mitwirkung aller an der Lehrerausbildung Beteiligten der Fall sein.

Einer grundsätzlichen Verankerung der Distanzausbildung ohne eine sorgfältige wissenschaftlich gestützte Begleitung und Evaluation sieht der PhV NW skeptisch.

Wir halten Unterricht und Ausbildung in Distanz auf Grund der uns vorliegenden Erkenntnisse zum jetzigen Zeitpunkt nicht für gleichwertig mit der Arbeit in Präsenz.

Auch wenn es auf Grund der Infektionslage im vergangenen Jahr notwendig war, die Ausbildung und Prüfung der Anwärterinnen und Anwärter durch Distanzformate zu gewährleisten, hat sich für uns dennoch gezeigt, dass Ausbildung und eben Unterricht in Präsenz vielfältigere Beobachtungen ermöglichen als rein theoretische oder fiktive Beschreibungs- und Reflexionsformate.

Das spontane Lehrerhandeln auf Schüleraktionen sowie auf unvorhersehbare Gegebenheiten lassen sich auf Distanz nicht oder nur in Ansätzen beobachten und erfahren.

Auch in der Lehrerausbildung am Seminar bilden andere Ausbildungsformate als solche in Präsenz keinen adäquaten Ersatz für die direkte Kommunikation der LAA-Gruppen mit den Seminarausbilderinnen und -ausbildern.

Uns fehlt in der aktuellen Fassung des Entwurfs daher zumindest eine einschränkende und priorisierende Formulierung, dass Ausbildung und Prüfung in Präsenz die Regel sind und Ausbildung und Prüfung in Distanzformaten nur in begründeten Ausnahmefällen möglich sein können.

Weiterhin fehlen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Lehrerausbildung Konkretisierungen zur Ausgestaltung evtl. Distanzformaten. Es muss vermieden werden, dass jedes ZfsL eigene Regelungen trifft.

Bedauernswert ist im Übrigen eine fehlende Aussage zu den laufenden Jahrgängen, in denen z.T. bereits Unterrichtsbesuche auf Distanz stattgefunden haben, die aber nicht bewertet wurden.

§ 11 (3)
Die abschließende Formulierung des Satzes, demzufolge „Unterrichtsbesuche und andere Ausbildungsformate Fragen der Medienkompetenz und den lernfördernden Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken“ einbeziehen, ist im Sinne einer qualitätssichernden und vergleichbaren Ausbildung nachvollziehbar.

Unerlässlich wäre aus Sicht des PhV NW aber an dieser Stelle eine Klarstellung, dass Unterrichtsbesuche in Präsenz die Regel sein müssen und es hinsichtlich einer sowohl situativ als auch individuell begründeten Abweichung von dieser Regel einer schriftlichen Rechtfertigung und Begründung für die Nutzung von Distanzformaten bedarf. Im Blick auf den letzten Satz legen wir Wert auf die Feststellung, dass eine gute Unterrichtsstunde immer Fragen der Medienkompetenz berücksichtigt, weil die Planung und Durchführung von Unterricht immer auf fachdidaktischen Überlegungen fußt.

Eine angemessene Bewertung, die den lernfördernden Einsatz von modernen Informations- und Kommunikationstechniken im Unterricht mit einbezieht, muss berücksichtigen, dass Medienkompetenz in den Studieninhalten und im Curriculum des Vorbereitungsdienstes z.T. erst angebahnt werden muss.

Im Übrigen ist nach wie vor nicht an allen Schulen und Lehrerausbildungsstätten die notwendige Infrastruktur vorhanden.

§ 16 (1)
Der PhV NW bedauert es, dass der Entwurf es versäumt, den Fehler der Abschaffung der Zwischennoten (1,3; 1,7 2,3 und 2,7, 3,3 und 3,7) aus der alten OVP wieder zu bereinigen.

Für diese Maßnahme fehlt landesweit sowohl bei Auszubildenden als auch bei Ausbilderinnen und Ausbilder an Seminar und Schule jegliches Verständnis: Warum gibt es schon für Schülerinnen und Schüler der Sek II bis zum Abitur und auch an der Universität Notentendenzen, um die Leistungen fair gestuft abzubilden, nicht aber für Lehrkräfte? Sowohl in den Langzeitbeurteilungen als auch bei den Bewertungen am Prüfungstag führt diese fehlende Differenzierungsmöglichkeit zu Ungleichbehandlungen der Lehramtsanwärterinnen und -anwärter.

§ 18 (2) und § 20 (2)
Der PhV NW lehnt die Hinzuziehung der Kategorie „Lehrerversorgung“ bei der Verteilung der Ausbildungsplätze sowie der Bewerberinnen und Bewerber ab. Es ist aus unserer Sicht weder nachvollziehbar noch hinnehmbar, dass Lehrkräfte in der Ausbildung dazu benutzt werden, um fachspezifischen Personalmangel aufzufangen.

§ 30 Abs. 2
Den Einsatz von Vertreterinnen und Vertretern des Prüfungsamtes als Mitglieder des Prüfungsausschusses lehnt der PhV NW ab.

Die notwendige Beurteilungskompetenz bezogen auf den Lehrerberuf sehen wir nicht sichergestellt; zu Recht wird in Abs. 4 Nr. 3 ausgewiesen, dass Beurteilerinnen und Beurteiler über eine Lehramtsbefähigung entsprechend der Schulform bzw. Schulstufe des Prüflings besitzen müssen. Wenn in Zukunft – und sei es in Ausnahmefällen – ermöglicht werden soll, dass Personen ohne eine entsprechende professionelle Qualifikation über Prüfungsergebnisse entscheiden, sehen wir eine erhebliche Gefahr für die Qualität der Ausbildung und damit des Unterrichts. Die neu getroffene Ausnahmeregelung ist aus unserer Sicht deshalb nicht tragbar. Eine zusätzliche beobachtende Teilnahme wäre aus unserer Sicht unproblematisch und würde das intendierte Ziel („Verbesserung der Hilfestellungen“) gleichermaßen gewährleisten, zumal sich diese Personen gem. § 31 Abs. 3 dazu selbst ermächtigen können.

Auch das Argument kurzfristiger Ersatzbeschaffung überzeugt nicht. Hier könnte z. B. auch auf die Leitungen von ZfsL, stellvertretende Schulleiterinnen und -leiter oder auf Ausbildungsbeauftragte zurückgegriffen werden, die die Lehramtsanwärterinnen und -anwärter über 18 Monate begleitet haben, die Kern- und Fachcurricula des jeweiligen ZfsL ebenso kennen wie die Beurteilungskriterien und auch bei der Langzeitbeurteilung Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Dies können in den genannten Fällen auch schnell herangezogen werden.

In der früheren OVP waren ABB durchaus als geeignete Mitglieder von Prüfungskommissionen anerkannt.

§ 31 (1)
Hierzu verweisen wir auf unsere Stellungnahme zu §30 Abs. 2. Der Einsatz von Referentinnen und Referenten aus den Prüfungsämtern als Vorsitzende des Prüfungsausschusses muss nach Auffassung des PhV NW ausgeschlossen werden, weil den Vertreterinnen und Vertretern des Prüfungsamtes die notwendige Erfahrung im Lehrerberuf und damit die Beurteilungskompetenz fehlen.

Eine beobachtende Teilnahme halten wir selbstverständlich für möglich.

Anlage 1 zum Entwurf der Vierten Verordnung zur Änderung der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung – OVP)

Vorbemerkung: Die Trennung von Kompetenzen und Handlungsfeldern ist aus Sicht des PhV NW grundsätzlich sinnvoll; sie erspart unnötige Redundanzen, die inhaltliche Füllung erfolgt durch die fachlichen und überfachlichen Curricula der Seminare in den ZfsL.

Kompetenz 1: Der 5. Unterpunkt zur didaktisch sinnvollen Integration analoger und digitaler Medien und zur Reflexion des eigenen Medieneinsatzes stellt in den Augen des PhV NW eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Fassung dar.

Kompetenz 2: Der PhV NW trägt die Formulierung der Kompetenz 2 inhaltlich selbstverständlich mit, weist aber darauf hin, dass digitale Medien nur eine dienende Funktion haben. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass die tatsächlichen Gegebenheiten an den Schulen und die daraus sich ergebenden Möglichkeiten sowie die unterschiedlichen Voraussetzungen, die die Referendarinnen und Referendare mitbringen, berücksichtigt werden.

Kompetenz 3: Auch hier muss darauf hingewiesen werden, dass die Lehramtsanwärterinnen und -anwärter sowie die Ausbildenden zuvor durch Studium bzw. entsprechende Fortbildungen selbst dazu in die Lage versetzt worden sein müssen, um die Schülerinnen und Schüler entsprechend befähigen zu können.

Kompetenz 7: Der PhV NW erwartet eine Klarstellung, wie eine digitale Lernprozessdiagnostik zur Verfügung gestellt wird. Notwendig ist hier auch die Formulierung verbindlicher und klarer Standards für die zu nutzenden Formate.

Kompetenz 8: Der PhV NW lehnt eine grundsätzliche Verpflichtung zur Nutzung digitaler Möglichkeiten in jeder Unterrichtssituation ab. In dem Zusammenhang verweisen wir noch einmal darauf, dass wie alle Medien auch die digitalen nur eine dienende Funktion haben und ihre Möglichkeiten zu reflektieren sind. Voraussetzung für ihre Anwendung ist im Übrigen die Zurverfügungstellung digitaler dienstlicher Endgeräte und von Lizenzen durch den Dienstherrn und damit verbunden die Gewährleistung von Datenschutz und -sicherheit.

Kompetenz 9: Die angesprochene Kompetenz setzt entsprechende in der Ausbildung zu erwerbenden Kenntnissen sowie Lizenzen und Endgeräte, die durch den Dienstherrn zur Verfügung gestellt werden, voraus.

Düsseldorf, den 06.01.2021

gez. Sabine Mistler
Vorsitzende des Philologen-Verbandes Nordrhein-Westfalen