Philologen-Verband fordert Erhalt des Unterrichtsfaches Sozialwissenschaften
Der Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen (PhV NW) begrüßt die Klarstellung des Ministeriums für Schule und Bildung (MSB) hinsichtlich der fortdauernden Gültigkeit der Lehrbefähigung für das Unterrichtsfach Sozialwissenschaften. Die eindeutigen Aussagen des Schulministeriums NRW auf dem Bildungsportal verschaffen Studentinnen und Studenten der Sozialwissenschaften Planungssicherheit im Hinblick auf den von ihnen angestrebten Abschluss und beenden die unter den das Fach unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen grassierende Verunsicherung.
„Die Lehrkräfte des Fachs Sozialwissenschaften verfügen selbstverständlich auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer bisherigen praktischen Arbeit über die notwendigen wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse, um auch das Fach Wirtschaft-Politik zu unterrichten. Natürlich haben sie in NRW seit Jahren in ihrem Unterricht auch ökonomische Inhalte vermittelt“, betont die Vorsitzende des PhV NW, Sabine Mistler.
Es ist daher folgerichtig, dass das Schulministerium NRW jetzt öffentlich deutlich gemacht hat, dass die im Rahmen der bisherigen Ausbildung noch zu erwerbenden Abschlüsse ebenso ihre Gültigkeit behalten wie alle bisher im Zusammenhang mit der Lehrbefähigung für das Unterrichtsfach Sozialwissenschaften erworbenen Berechtigungen.
In diesem Zusammenhang übt der Verband im Übrigen Kritik an den Bestimmungen der neuen Lehramtszugangsverordnung, der zu Folge das Unterrichtsfach Sozialwissenschaften auch in der Sekundarstufe II in Zukunft unter der Bezeichnung „Wirtschaft-Politik“ unterrichtet werden soll. Durch die Umbenennung entsteht der Eindruck, dass mit der Neuausrichtung die Teildisziplin „Soziologie“ gegenüber den anderen beiden Teildisziplinen Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft an Bedeutung verliert, was im Gegensatz zum Charakter des bisherigen Unterrichtsfachs Sozialwissenschaften steht, dessen Kernanliegen gerade die Integration aller drei Teildisziplinen ist. „Viele Kolleginnen und Kollegen machen sich Sorgen, dass die Neukonzeption des Schulfaches zu Lasten wichtiger soziologischer Teilbereiche geht“, so Sabine Mistler.
Der PhV NW kritisiert die vorgesehene Kürzung von gesellschaftlich relevanten Inhalten aus dem Bereich der Soziologie und fordert Multiperspektivität, Kontroversität und kritische Auseinandersetzung als Eigenart des Faches Sozialwissenschaften zu erhalten.
Außerdem wird das Begriffspaar „Wirtschaft-Politik“ dem wissenschaftspropädeutischen Anspruch der Gymnasialen Oberstufe nicht vollständig gerecht, weil die Bezugnahme auf die universitären Bezeichnungen der Teildisziplinen nicht erkennbar wird. Aus Sicht des Philologen-Verbandes sollte die Studienfach-Bezeichnung „Sozialwissenschaften“ nicht einfach aufgegeben werden, da diese gut geeignet ist, die Interdependenz von Politikwissenschaft, Soziologie und Ökonomie abzubilden.
Zum Hintergrund:
Dem Fach Sozialwissenschaften wird in NRW seit Jahrzehnten eine recht große Bedeutung zugesprochen. Schülerinnen und Schüler müssen Sozialwissenschaften in der Qualifikationsphase verpflichtend belegen. Wenn sie es nicht als Gesellschaftswissenschaften durchgängig in der gesamten Qualifikationsphase gewählt haben, müssen zwei Kurse Sozialwissenschaften in der Q2 belegt werden. Der dem Fach Sozialwissenschaften so zugeschriebene essenzielle Wert bzw. der Wert der zugehörigen Kompetenzen muss erhalten bleiben.
Wirtschaftliche und politische Aspekte stehen in enger Interdependenz zueinander. Der Sozialstaat Deutschland greift durch seine Gesetze und Vorgaben in mehrfacher Weise in die Wirtschaft ein. Somit ist die Vernetzung von Wirtschaft und Politik gegeben, die auch entsprechend verstanden werden muss. Umgekehrt bestimmen auch viele wirtschaftliche Zusammenhänge, Fakten des Handelns der Politik und haben dadurch einen großen Einfluss auf die Gesellschaft (Soziologie). Somit stehen wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Aspekte in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander. Würde der Schwerpunkt einseitig auf die Wirtschaft gelegt, halten wir es für sehr wahrscheinlich, dass in der Vermittlung diese Sicht der wechselseitigen Abhängigkeit und Komplexität möglicherweise fehlen bzw. zu kurz kommen könnte.
Der PhV NW hatte bereits Anfang August nach entsprechenden Interview-Äußerungen von Staatsekretär Mathias Richter alle Zweifel an der Lehrbefähigung der Lehrkräfte des Faches Sozialwissenschaften zum Unterricht im Fach Wirtschaft-Politik zurückgewiesen und allen Überlegungen zur Reduzierung soziologischer Inhalte aus dem Unterricht des Faches eine klare Absage erteilt: https://www.phv-nw.de/presse/stellungnahme/statement-zum-fach-wirtschaft.