Stellungnahme des PhV NRW zum Kernlehrplan Physik

Kategorien: Aktuelles, StellungnahmeVeröffentlicht: 16.02.2022

STELLUNGNAHME

des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen
(PhV NRW)

zum Kernlehrplan Physik

für die Sekundarstufe II
Gymnasium in Nordrhein-Westfalen

(Durchführung der Verbändebeteiligung
gem. § 77 Abs. 3 SchulG)

I. Allgemeiner Teil

Der PhV NW nimmt im Rahmen der Verbändebeteiligung zu den Entwürfen der Kernlehrplänen (KLP) für die Sekundarstufe II Gymnasium in NRW in den Fächern Biologie, Chemie und Physik jeweils ausführlich Stellung. In einem ersten allgemeinen Teil machen wir zunächst grundsätzliche Anmerkungen zu übergeordneten Aspekten:

  1. Der PhV NW erkennt das Bestreben an, die Spezifika des gymnasialen Bildungsganges hervorzuheben. Sichtbar wird dies in der Betonung der Fachlichkeit und des wissenschaftsorientierten Lernens, sowie der weitgehend gelungenen Verschränkung von Inhalten und Kompetenzen. Die Integration der Basiskonzepte, die nun prüfungsrelevant sind, in die Struktur von Zielen des Faches/übergreifender fachlicher Kompetenz, Kompetenzbereichen, Inhaltsfeldern und Kompetenzerwartungen erscheint uns sinnvoll. Insofern sehen wir viele positive Aspekte in den Kernlehrplanentwürfen. Dennoch lenken wir in unseren Stellungnahmen den Blick auf die notwendigen Änderungen, die trotz des knappen Zeitfensters bis zum Inkrafttreten am 01. August 2022, nicht ignoriert werden dürfen.
  2. Die Grundentscheidung der Kultusministerkonferenz, dass ab dem Abitur 2025 für die Fächer Biologie, Chemie und Physik 50% der Abituraufgaben aus dem Aufgabenpool des IQB entnommen werden müssen, hat zur Folge, dass bereits der jetzige Jahrgang 9, der sich als letzter Jahrgang noch in G8 befindet, ab dem nächsten Schuljahr bereits nach den neuen (G9-) Kernlehrplänen der Oberstufe unterrichtet werden soll. Diese Entscheidung wirft für NRW zwei Probleme auf: Erstens ist die Anschlussfähigkeit von der Sekundarstufe I zur Oberstufe nicht vollständig gegeben. Den Schülerinnen und Schülern fehlen teilweise bestimmte Kompetenzen für die erfolgreiche Mitarbeit in der Oberstufe. Zweitens bleibt in dem knappen Zeitraum bis zu den Sommerferien kaum noch Zeit für notwendige Vorarbeiten. So müssen noch Implementationen der neuen Lehrpläne durchgeführt und Materialien, wie z.B. die Vorlagen für die schulinternen Lehrpläne, rechtzeitig bereitgestellt werden.
  3. Die Kultusministerkonferenz hat mit Beschluss vom 18.06.2020 Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife in den Fächern Biologie, Chemie und Physik verabschiedet. Sie hat ferner vorgesehen, für die Umsetzung der Bildungsstandards in die Lehr- und Bildungspläne der Länder Eckpunkte für curriculare Vorgaben zu entwickeln. Dieses Eckpunktepapier liegt vor. Ziele sind Qualitätssicherung, Überprüfbarkeit und Vergleichbarkeit. Das unterstützen wir ausdrücklich. Allerdings dürfen diese verbindlichen Vorgaben der Bildungsstandards nicht zu einer inhaltlichen Überfrachtung der Kernlehrpläne führen. Der vorgegebene Freiraum von 25% muss erhalten bleiben, damit weiterhin im Sinne des gymnasialen Bildungsauftrags einer vertieften allgemeinen Bildung gearbeitet werden kann. Im Fach Biologie ist dieser Freiraum durch die Fülle an Inhalten und Kompetenzerwartungen durchgängig nicht mehr gegeben. Im Fach Chemie entsteht dieses Problem im Leistungskursbereich. Besonders im Fach Biologie ist eine übergeordnete Lösung notwendig, welche auch den unterschiedlichen Voraussetzungen der Bundesländer Rechnung trägt. Um die Bildungsstandards einhalten zu können, müssen in den verschiedenen Bundesländern auch vergleichbare Rahmenbedingungen, insbesondere in Bezug auf die Stundentafel, gegeben sein. Es kommt hinzu, dass für NRW noch nicht klar ist, wie die APO-GOSt geändert werden wird und unter welchen Rahmenbedingungen die vorgelegten Entwürfe und die noch folgenden KLP gelten sollen.
  4. Der PhV NW empfiehlt, die aktuellen Regelungen zur Aufgabenauswahl im Abitur in den Naturwissenschaften Biologie, Chemie und Physik beizubehalten: „Die Schulen erhalten für den Grundkurs und für den Leistungskurs jeweils 3 Aufgaben, aus denen die Fachlehrerin bzw. der Fachlehrer zwei Aufgaben auswählt. Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die beiden ihnen dann vorgelegten Aufgaben.“ (Vorgaben Zentralabitur 2022, S. 2). Es sollte also auch zukünftig keine verbindlich festgelegte Aufgabe geben. Wir begründen unsere Empfehlung folgendermaßen: Die Schülerinnen und Schüler haben aufgrund der komplexen Abituraufgaben in den Naturwissenschaften wie bisher auch keine Aufgabenauswahl. Die ursprünglich vorgesehene eingeschränkte Aufgabenauswahl durch die Lehrkraft wäre im Vergleich zu anderen Fächern ungerecht. In der aktuellen Regelung wird den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern ein gewisser Spielraum eröffnet, um Ausfälle und auch die höhere Stofffülle kompensieren zu können. Die Aufgaben sollten sich dann auch trennschärfer auf bestimmte Themengebiete beziehen und weniger inhaltsfeldübergreifend gestaltet sein.

II. Fachbezogener Teil: Physik

Der PhV NW nimmt im Folgenden detailliert Stellung zum Kernlehrplanentwurf für das Fach Physik. Nach allgemeinen Anmerkungen gehen wir auf die einzelnen Kapitel des Kernlehrplans näher ein. Dabei werden die wichtigsten positiven und negativen Anmerkungen und die wesentlichen Vorschläge des PhV NW erkennbar hervorgehoben.

2.1 Allgemeines

Der vorliegende Kernlehrplanentwurf wird dem Fach Physik am Gymnasium aus Sicht des Philologen-Verbands NW insgesamt gut gerecht.

Die fachlichen Inhalte des Fachs Physik werden – wie seit vielen Jahren üblich – nicht mehr singulär betrachtet bzw. unterrichtet, sondern immer im Kontext von Prozessen (Kompetenzen) gesehen. Dieses Prinzip hat sich bewährt, weil es damit gelingt den Schülerinnen und Schülern neben rein fachphysikalischen Inhalten insb. naturwissenschaftliche Methoden, Denkprozesse und Arbeitsweisen zu vermitteln und diese auch explizit zu trainieren. Dies öffnet das Fach Physik auch Schülerinnen und Schülern, die an komplexen Gedankenprozessen, kombiniert mit physikalischen Inhalten Interesse haben, aber nicht notwendigerweise ein Physik- oder Ingenieursstudium anstreben.

Die Einbettung der gem. der KMK vereinbarten Basiskonzepte in den vorliegenden KLP ist besonders hervorzuheben und zu begrüßen.

Die Einbindung des Einsatzes digitaler Medien in den Kernlehrplanentwurf ist grundsätzlich angemessen und sachgerecht erfolgt.

Die Einbettung der Inhaltsfelder bzw. Unterrichtsgegenstände in einen Rahmen von Kompetenzen bzw. Konzepten darf aus Sicht des PhV NW nicht auf Kosten einer angemessenen fachlichen Tiefe gehen. In den vergangenen 20 Jahren hat die fachliche Tiefe in vielen Fächern, auch am Gymnasium, deutlich nachgelassen. Das Fach Physik liefert aus Sicht des PhV NW auch mit diesem KLP immer noch eine angemessene fachliche Grundlage, auf deren Basis sich Abiturientinnen und Abiturienten für einen physikalischen oder ingenieurswissenschaftlichen Studiengang einschreiben können, aber die Rückmeldung der Absolventinnen und Absolventen deckt verstärkt fachliche Lücken durch fehlende mathematische Kompetenzen auf.
Insb. im Fach Mathematik sind diese Lücken so gravierend, dass man die Frage „Bin ich nach dem Abitur mit einem Leistungskurs in Mathematik grundsätzlich fachlich für ein Grundstudium in Mathematik oder vergleichbaren Fächern vorbereitet?“ ganz deutlich verneinen muss.

Für das Fach Physik bewertet der PhV NW, wie oben erwähnt, die formulierten Kompetenzerwartungen grundsätzlich positiv und ausreichend für ein entsprechendes Studium, er macht in dieser Stellungnahme aber dennoch im Folgenden vermehrt Vorschläge, an welchen Stellen eine fachliche Vertiefung (insb. eine verstärkte Mathematisierung) sinnvoll ist.

Das Schulfach Physik liefert, auf einem angemessenen gymnasialen Niveau unterrichtet, einen wesentlichen Beitrag für die Studierfähigkeit unserer Abiturientinnen und Abiturienten insb. für MINT Studiengänge und ermöglicht ihnen damit den Zugang zu anspruchsvollen und hochwertigen Tätigkeitsfeldern.

2.2    Kompetenzbereiche und Inhaltsfelder des Faches

Kompetenzbereiche

Seit einigen Jahren verknüpft der KLP Physik die Inhaltsfelder mit den Kompetenzen Sachkompetenz, Erkenntnisgewinnungskompetenz, Kommunikationskompetenz und Bewertungskompetenz.

Die Formulierung einer geeigneten gymnasialen Sachkompetenz ist durchweg gelungen. Aus Sicht des PhV NW werden alle wesentlichen Aspekte angesprochen, die für eine gymnasiale Ausbildung im Fach Physik elementar sind. Dabei sind die Formulierungen wie „Die Vertrautheit mit physikalischem Fachwissen sowie mit der Nutzung physikalischer Grundprinzipien und Arbeitsweisen bildet eine unverzichtbare Grundlage für das Verständnis wissenschaftlicher sowie alltäglicher Sachverhalte aus vielen Bereichen“ (S. 13 KLP) und „dazu gehört die theoriebasierte Beschreibung von Phänomenen ebenso wie die qualitative und quantitative Auswertung von Messergebnissen anhand geeigneter Theorien und Modelle“ (S. 13 KLP) besonders positiv hervorzuheben, da sie im Kern treffend die Ziele des Fachs Physik auf Sachebene beschreiben. Der PhV NW weist auf die Formulierung im KLP S. 13 hin („Deren Eigenschaften wie Gültigkeitsbereiche, theoretische Einbettungen und Angemessenheit sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie ein angemessener Grad der Mathematisierung“) und macht an dieser Stelle mit Nachdruck deutlich, dass aus Sicht des PhV NW genau eben diese erwähnte theoretische Einbettung im Zusammenhang mit einem angemessenen Grad an Mathematisierung im vorliegenden KLP noch nicht hinreichend zufriedenstellend beachtet wird.

Die Beschreibung der Erkenntnisgewinnungskompetenz fasst das Wechselspiel von Theorie und Experiment aus Sicht des PhV NW für die schulische Lehre etwas zu eng. Im Hinblick auf den zeitlich sehr knapp bemessenen Unterrichtsrahmen ist es nicht möglich, jede Erkenntnis anhand der beschriebenen Schrittfolge zu gewinnen. Viele Experimente entstehen nicht im Kopf der Schülerinnen und Schüler, sondern werden als Einstieg, Vertiefung oder als Anwendung eines Phänomens bzw. einer Erkenntnis durchgeführt. Wie sollen Schülerinnen und Schüler Fragen formulieren und Untersuchungen/Experimente planen und durchführen, wenn die großen Wissenschaftler dafür selbst mehrere Jahre benötigt haben? Die Rolle des Experiments als elementare Methode der Erkenntnisgewinnung wird gelungen hervorgehoben, allerdings wäre eine adressatenorientiertere Formulierung wünschenswert. (Bsp.: Im Wechselspiel zwischen Theorie und Experiment werden zum einen gewonnene Erkenntnisse mithilfe einer angemessenen Theorie mathematisch begründet, zum anderen werden aber auch Erkenntnisse/Resultate/Prozesse unter Zuhilfenahme einer geeigneten Theorie vorhergesagt. Dabei werden die im Prozess der Erkenntnisgewinnung aus Experimenten gewonnen Ergebnisse und aus Modellen abgeleiteten Annahmen durchweg kritisch hinterfragt und im Hinblick auf wissenschaftliche Güte reflektiert.)

Die Kommunikationskompetenz wird im KLP völlig zutreffend ausgeführt. Der PhV NW kann nur die Formulierung „Physikalische Kommunikationskompetenz zeigt sich im Verständnis und in der Nutzung von definierten Begrifflichkeiten, […] die mathematische Logik […] als Belege für die Glaubwürdigkeit […] und Argumenten verwenden“ (S. 14 KLP) aufgreifen, um nochmals darauf aufmerksam zu machen, dass die Schülerinnen und Schüler auch ein entsprechendes mathematisches Rüstzeug brauchen, um mathematisch logisch zu argumentieren und ihre Argumente somit untermauern zu können.

Die Bewertungskompetenz baut auf der in der Sekundarstufe I eingeführten Verbraucherbildung angemessen auf, beschränkt sich dabei allerdings nicht auf eine persönliche bzw. individuelle Bewertung der Auswirkungen bzw. Einflüsse, sondern beurteilt eine Fragestellung in der Regel als gesellschaftliches, wenn nicht gar als globales Problem.

Inhaltsfelder

Das Inhaltsfeld Grundlagen der Mechanik (Einführungsphase) ist insg. treffend beschrieben. Hervorzuheben ist die Betonung auf einer „[…] zunehmenden Mathematisierung“ (S. 16 KLP). Hierbei gilt es mit dem KLP Mathematik abzustimmen, dass der Ableitungsbegriff in der Einführungsphase so schnell wie möglich eingeführt wird, damit der Physikunterricht auf diesem Wissen aufbauen kann. Der PhV NW merkt an, dass die angesprochenen „funktionalen Beziehungen zwischen den mechanischen Größen […]“ (S. 16 KLP) nicht nur herausgestellt, sondern auch durch eine präzise, mathematische Analyse der Messdaten gewonnen werden sollten. Hierfür würde sich ein Inhaltsfeld Messwertanalyse anbieten, welches die Schülerinnen und Schüler sowohl händisch als auch unter Zuhilfenahme geeigneter Hilfsmittel (CAS, Excel, Geo-Gebra) bearbeiten können. Weiterhin ist die Formulierung „[…] vorwiegend eindimensionalen Bewegungen…“ irreführend, da Kreisbewegungen ja sinnvollerweise weiterhin Bestandteil des KLP sind. Der PhV NW schlägt vor die Formulierung „vorwiegend eindimensionalen“ zu streichen.

Das Inhaltsfeld Kreisbewegung, Gravitation und physikalische Weltbilder (Einführungsphase) verdrängt das bis dato existierende Inhaltsfeld Schwingungen und Wellen aus der Einführungsphase. Der PhV NW begrüßt diese Entscheidung, da somit dem komplexeren Themenfeld Schwingungen und Wellen in der Qualifikationsphase ein größerer Zeitrahmen zugesprochen werden kann. Zudem kann das Inhaltsfeld Sterne und Weltall aus der Sekundarstufe I wieder aufgegriffen werden, welches Kinder und Jugendliche jeden Alters begeistern kann. Das Experiment zur Gravitationswaage nach Cavendish bietet hier einen anspruchsvollen und faszinierenden Rahmen, um die Erkenntnisse der Gravitation und deren Auswirkungen auf unser Universum zu verdeutlichen. Die Grundlagen der Kreisbewegung schließen direkt an die Themen der Mechanik an und bilden keine Schwierigkeiten.

Das Inhaltsfeld Klassische Wellen und Teilchen in Feldern (Q – Phase GK) beinhaltet angemessen die wichtigsten Aspekte und Konzepte, die nötig sind, um ein grundlegendes Verständnis über dieses Inhaltsfeld zu erlangen. Der Schwierigkeitsgrad sollte, auch im Hinblick auf die im Eckpunktpapier genannten Positionen der KMK, an zwei Stellen noch einmal überdacht werden.

Das Inhaltsfeld Quantenobjekte (Q – Phase GK) behandelt die grundlegenden Experimente und Erkenntnisse im Kontext von Quantenobjekten. Damit lässt sich sehr schön den Schülerinnen und Schülern den Prozess der damaligen Erkenntnisgewinnung aufzeigen. Das Fehlen einer grundlegenden Mathematisierung des Welle-Teilchen-Dualismus bzw. der Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Quantenphysik ist im Anforderungsniveau eines Grundkurses angemessen. Für den Leistungskurs wäre an dieser Stelle mit Blick auf eine angemessene Studierfähigkeit eine fundierte theoretische Betrachtung wünschenswert (s. unten).

Das Inhaltsfeld Elektrodynamik und Energieübertragung (Q – Phase GK) bildet umfassendes Grundwissen über das Phänomen der Induktion aus und ermöglicht auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit technisch alltäglichen Verfahren. Hierbei ist sicherlich die Balance zwischen einer qualitativen Beschreibung der ablaufenden Prozesse und einer grundlegenden mathematischen Betrachtung zu treffen. Kritisch anzumerken ist, dass der Inhalt Induktion nicht mehr im Inhaltsfeld genannt wird, dann aber wesentlicher Bestandteil des Inhaltsfelds ist. Wir schlagen vor, die Induktion als Bestandteil im Inhaltsfeld mit zu benennen.

Das Inhaltsfeld Strahlung und Materie (Q – Phase GK) übererfüllt das Eckpunktpapier der KMK und bettet sinnvoll moderne und anwendungsorientierte physikalische Inhalte ein. Eine Betrachtung der Elementarteilchen ist im Vergleich zum letzten KLP herausgefallen, was insofern zu bedauern ist, da dieses Themenfeld aktuell regelmäßig für Schlagzeilen sorgt und Inhalt vieler populärer Diskussionsforen ist. Der PhV NW empfiehlt, dieses Themenfeld auch für den Grundkurs wieder in den KLP zu integrieren und dafür ggf. die Behandlung der biologischen Wirkung auf das Nötigste zu beschränken.

Das Inhaltsfeld Ladungen, Felder und Induktion (Q – Phase LK) ermöglicht den Schülerinnen und Schülern des Leistungskurses ein tiefergehendes Verständnis der wichtigen Vorgänge. Hierbei sollte die Chance genutzt werden, dass im Unterricht die wesentlichen Feldkonstanten experimentell bestimmt werden. Dies bietet die Möglichkeit einer großen Motivation, wenn ersichtlich wird, mit welcher Genauigkeit Naturkonstanten im Unterricht bestimmt werden können. Zudem sollte unbedingt nochmals der Vergleich zum Gravitationsfeld aufgezeigt werden, damit die Schülerinnen und Schüler die Systematik hinter dem Feldbegriff erfassen können.

Im Inhaltsfeld Schwingende Systeme und Wellen (Q – Phase LK) werden die Zusammenhänge zwischen harmonischen Schwingungen, entstehenden Wellen und schwingenden Systemen angemessen behandelt. Besonders hervorzuheben ist, dass die Behandlung von homogenen Differentialgleichungen 2. Ordnung Bestandteil des KLP ist. Dies begrüßt der PhV NW ausdrücklich, da Abiturientinnen und Abiturienten insb. in naturwissenschaftlich/technischen Studiengängen hier ansonsten auf große Lücken stoßen.

Für das Inhaltsfeld Quantenphysik (Q – Phase LK) schlägt der PhV NW hier ergänzend vor, das Themenfeld mit einer präzisen und hinreichend einfachen Mathematisierung abzuschließen. Oftmals begnügt sich die Deutung des Welle-Teilchen-Dualismus fast ausschließlich auf eine reine Beschreibung der beobachteten Phänomene. Eine etwas präzisere mathematischere Interpretation fällt in der Regel fast vollständig weg. Insb. die Wahrscheinlichkeitsaussagen werden in der Regel nicht mathematisch fundiert untermauert. Hier wäre in Zukunft eine auf modernen, fachdidaktischen Überlegungen begründete, präzisere mathematische Beschreibung der Phänomene wünschenswert.

Das Inhaltsfeld Atom- und Kernphysik (Q – Phase LK) wurde um die Thematik der Elementarteilchen reduziert. Dass Lehrpläne nicht überfrachtet werden dürfen, ist verständlich, allerdings handelt es sich hierbei um ein ausgesprochen aktuelles Themenfeld, welches regelmäßig auch in populären Medien zur Sprache kommt. Der PhV schlägt vor, zumindest die Grundlagen dieser Thematik im KLP als obligatorisch auszuweisen.

Anmerkung: Welches Inhaltsfeld in der gesamten gymnasialen Oberstufe keine Bedeutung findet, ist das Themenfeld der Thermodynamik. Da es insbesondere in naturwissenschaftlichen und ingenieurswissenschaftlichen Studiengängen zum Grundstudium gehört, wäre es zu überlegen, inwieweit es bei zukünftigen Lehrplänen angemessen berücksichtigt werden kann.

Basiskonzepte

Das Einbauen der in der KMK vereinbarten Basiskonzepte Erhaltung und Gleichgewicht, Superposition und Komponenten, Mathematisieren und Vorhersagen und Zufall und Determiniertheit ist eine gelungene Neuerung des vorliegenden Lehrplanentwurfs und stellt wesentliche physikalische Konzepte explizit hervor. Dass diese am Ende jedes Inhaltsfeldes aufgegriffen werden, ist absolut zu begrüßen, allerdings könnten die Beiträge in vielen Fällen etwas umfangreicher ausformuliert sein.

2.3    Kompetenzerwartungen und inhaltliche Schwerpunkte bis zum Ende der Einführungsphase

Die zu verschiedenen Formulierungen von PhV NW eingebrachten Anmerkungen werden im Folgenden übersichtlich tabellarisch dargestellt.

Seite Formulierung / Thema
Inhaltsfeld: Grundlagen der Mechanik
S. 24 Inhaltliche Schwerpunkte
Anmerkung: Im Hinblick auf das Basiskonzept Superposition und Komponenten und im Hinblick auf eine solide akademische Vorbereitung sollte der inhaltliche Schwerpunkt schräger Wurf unbedingt ergänzt werden.
S. 24 Inhaltliche Schwerpunkte
Anmerkung: Da in den Kompetenzen S6, S7, E7 wiederholt von einer Auswertung gewonnener Messwerte gesprochen wird, empfehlen wir zwingend die Messwertanalyse von ein- und mehrkomponentigen Zusammenhängen nicht nur unter der Erkenntnisgewinnungskompetenz zu erwähnen, sondern diese auch bei den inhaltlichen Schwerpunkten aufzuführen.
S. 25 Erkenntnisgewinnungskompetenz
Anmerkung: Es fehlt ein expliziter Verweis auf Experimente zur Luftkissenfahrbahn, um daran insb. das 1. Newtonsche Gesetz mithilfe einer Messwertanalyse möglichst präzise zu bestimmen.
Inhaltsfeld: Kreisbewegung, Gravitation und physikalische Weltbilder
S. 26 Sachkompetenz, P. 3
Anmerkung: Der Drehimpuls als Sachgegenstand sollte gestrichen werden. Alternativ: Geeignetes Experiment explizit angeben.
S. 26 Sachkompetenz, P. 6
Anmerkung: Sehr wichtige Ergänzung: Die SuS erläutern am Bsp. der Kreisbewegung den Unterschied zwischen einer Kräftegleichheit und einem Kräftegleichgewichtig. Hier ist es wichtig, dass das Basiskonzept Erhaltung und Gleichgewicht bei den Kräften einer Kreisbewegung nicht zum Tragen kommt. Fehlformulierungen bei SuS „es gibt ein Kräftegleichgewicht zwischen der Zentrifugalkraft und der Seilkraft (Bsp.)“ (o.ä.) sind unbedingt zu vermeiden.
S. 27 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P. 2
Anmerkung: Begrüßenswert ist, dass das Gravitationsexperiment nach Cavendish über den KLP verbindlich in der Einführungsphase behandelt werden soll.

2.4    Kompetenzerwartungen und inhaltliche Schwerpunkte bis zum Ende der Qualifikationsphase

2.4.1  Anmerkungen zum Grundkurs

Die zu verschiedenen Formulierungen von PhV NW eingebrachten Anmerkungen werden im Folgenden übersichtlich tabellarisch dargestellt.

Seite Formulierung / Thema
Inhaltsfeld: Klassische Wellen und Teilchen in Feldern
S. 33 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P. 3
Anmerkung: Es ist völlig ausreichend, wenn SuS im Grundkurs mithilfe des Superpositionsprinzips elektrische Feldlinienbilder entwickeln. Zusätzlich magnetische zu fordern, ist nicht nötig.
S. 34 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P.7
Anmerkung: Die Funktionsweise einer Hall-Sonde sollte in Grundzügen beschreiben werden können. Eine reine Anwendung reicht nicht aus.
S. 34 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P. 8
Anmerkung: Die Funktionsweise des Zyklotrons ist für einen Grundkurs Physik sehr herausfordernd. An dieser Stelle wäre eher die Anwendung eines Geschwindigkeitsfilters und eines Massenspektrometers geeigneter.
S. 34 Erkenntnisgewinnungskompetenz
Anmerkung: Es wäre sinnvoll, wenn die SuS eine Feldkonstante mithilfe eines Experiments möglichst präzise ermitteln. Dies würde Möglichkeiten der Diskussion über Messfehler und Messungenauigkeiten ermöglichen. Zudem könnten die SuS die Faszination erleben, eine Naturkonstante eigenständig zu bestimmen. Hierfür bietet sich z.B. die magnetische Feldkonstante an, welche durch Messung von Magnetfeldstärken an zylindrischen Spulen sehr gut gewonnen werden kann.
S. 34 Ausgewählte Beiträge zu den Basiskonzepten
Anmerkung: Unbedingt bei Superposition und Komponenten ergänzen: Mithilfe des Superpositionsprinzips wird die Entstehung eines komplexeren Feldlinienbildes ermöglicht.
Inhaltsfeld: Quantenobjekte
Insg. für einen Grundkurs sehr angemessen umgesetzt.

 

Inhaltsfeld: Elektrodynamik und Energieübertragung
S. 37 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P. 2
Anmerkung: Dass auch im Grundkurs verlangt wird, die Entstehung der Induktionsspannung mathematisch für beide Fälle zu modellieren, ist sehr angemessen.
S. 38 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P. 5
Anmerkung: Hier wäre auch eine Betrachtung technischer Anwendungen wie die der Wirbelstrombremse sinnvoll.
Inhaltsfeld: Strahlung und Materie
S. 39 Sachkompetenz, P. 4
Anmerkung: Hier fehlt die Bedeutung der kurzwelligen Grenze, als Grenze der energiereichsten Röntgenphotonen.

2.4.2 Anmerkungen zum Leistungskurs

Die zu verschiedenen Formulierungen von PhV NW eingebrachten Anmerkungen werden im Folgenden übersichtlich tabellarisch dargestellt.

Seite Formulierung / Thema
Inhaltsfeld: Ladungen, Felder und Induktion
S. 42 Sachkompetenzkompetenz, P.8
Anmerkung: Die mathematische Beschreibung der Entstehung einer Wechselspannung fehlt. Diese gehört nach Ansicht des PhV NW zwingend in den KLP, da Begriffe wie Wechselspannung, Effektivwert usw. im Studium als bekannt vorausgesetzt werden. Die SuS sollten durch einen geeigneten Versuch den Unterschied zwischen der Amplitude und dem Effektivwert einer Wechselspannung entdecken.
S. 43 Erkenntnisgewinnungskompetenz
Anmerkung: Die experimentelle Bestimmung der elektrischen und magnetischen Feldkonstante durch eine präzise Messwertanalyse fehlt. Sie sollte zwingend Bestandteil des KLP sein.
S. 43 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P.4
Anmerkung: Die mathematische Beschreibung der Funktionsweise einer Hall-Sonde fehlt. Insb. im Hinblick auf das Basiskonzept Erhaltung und Gleichgewicht sollte sie Bestandteil des Leistungskurses sein.
S. 43 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P.8
Anmerkung: An dieser Stelle sollten im Hinblick auf die Anforderungen eines Grundstudiums die grundlegenden Begriffe im Kontext von Differentialgleichungen eingeführt werden. Zudem sollte die Idee der Lösbarkeit von homogenen DGL 1. Ordnung angesprochen werden.
S. 43 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P.10
Anmerkung: Mehrere Versuche zur Lenz’schen Regel im KLP explizit erwähnen.
S. 43 Erkenntnisgewinnungskompetenz
Anmerkung: Es fehlt eine abschließende, vergleichende Betrachtung des elektrischen und magnetischen Feldes im Vergleich zum Gravitationsfeld. Hier bietet sich eine finale Systematisierung an, um Gemeinsamkeiten und Gegensätze zu verdeutlichen.
Inhaltsfeld: Schwingende Systeme und Wellen
S. 45 Sachkompetenz, P. 4 + 5
Anmerkung: Es ist sehr sinnvoll, an dieser Stelle die mathematische Beschreibung auf den Lerngegenstand der Differentialgleichungen zu erweitern. Der Umgang mit Differentialgleichungen und deren Lösbarkeit ist insb. in naturwissenschaftlich/technischen Studiengängen elementar.
S. 45 Sachkompetenz, P. 11
Anmerkung: An dieser Stelle empfiehlt es sich, nochmals auf eine homogene DGL 2. Ordnung einzugehen und den Vergleich zur DGL der mech. Schwingung zu ziehen. Zudem bietet sich hier der Vergleich mit DGL 1. Ordnung aus dem Inhaltsfeld Ladungen, Felder und Induktion eigegangen werden.
Inhaltsfeld: Quantenphysik
S. 47 Sachkompetenz, P. 5
Anmerkung: Ein geeignetes Delayed-Choice-Experiment explizit benennen.
S. 48 Erkenntnisgewinnungskompetenz, P.5
Anmerkung: An dieser Stelle sollte präziser benannt werden, welche Eigenschaften der Wellenfunktion die Schülerinnen und Schüler zu Hilfe nehmen sollen. Insb. sollte auf die mathematischen Eigenschaften bzw. Interpretationen der Wellenfunktion genauer eingegangen werden, damit die Deutung sich nicht in oberflächlichen Aussagen („die Wellenfunktion verschwindet / kollabiert / bricht zusammen“) verliert.
Inhaltsfeld: Atom- und Kernphysik
S. 49 Inhaltliche Schwerpunkte
Anmerkung: Insgesamt finden sich in diesem Inhaltsfeld für Schülerinnen und Schüler sehr interessante und ansprechende Themen wieder, die motivieren und eine breite fachliche Grundlage für eine weitere akademische Ausbildung liefern.
S. 49 Inhaltliche Schwerpunkte
Anmerkung: Neben der Halbwertszeit sollte auch ein Term für die Halbwertsdicke ermittelt werden.
S. 49 Inhaltliche Schwerpunkte
Anmerkung: Die Thematik der Elementarteilchen wurde im Vergleich zum letzten KLP aus dem Curriculum gestrichen. Im Hinblick auf die aktuellen Forschungsschwerpunkte, welche regelmäßig auch in populären Medien Gehör finden, empfiehlt der PhV NW die grundlegende Systematik des Teilchenzoos sowie den Aufbau der Kernbausteine in den KLP zu integrieren. Das sind Themen, die für einige Schülerinnen und Schüler seit Beginn der Oberstufe von höchstem Interesse sind, und eine gymnasiale Ausbildung sollte ihnen zumindest einen fachlichen Überblick ermöglichen.

2.5    Lernerfolgsüberprüfung, Leistungsbewertung und Abiturprüfung

Die angesprochenen Aspekte der Lernerfolgsüberprüfung und der Leistungsbewertung entsprechen insgesamt dem modernen Stand der Fachdidaktik und sind sowohl praktikabel wie auch abwechslungsreich und anspruchsvoll. Insgesamt steht ein gelungenes Konvolut an Möglichkeiten zur Leistungsüberprüfung und Leistungsbewertung zur Verfügung. Die Beschreibungen der Überprüfungsformen sind weniger formal gehalten als im alten KLP. Auch dies hält der PhV NW für eine Verbesserung, da somit mehr Interpretationsspielraum und damit Freiheitsgrade bei der Bewertung eröffnet werden. Dass auf Seite 55 im ersten Absatz Experimente als „[…] in besonderem Maße den Zielsetzungen des wissenschaftspropädeutischen Physikunterrichts gerecht“ hervorgehoben werden, ist eine äußert gelungene Formulierung, welche der Rolle des Experiments im naturwissenschaftlichen Unterricht vollumfänglich gerecht wird. Der PhV NW begrüßt diese Formulierung ausdrücklich.

Im Hinblick auf zukünftig anstehende Abiturprüfungen begrüßt der PhV NW ausdrücklich, dass keine Auswahl durch die Abiturientinnen und Abiturienten vorgesehen ist. Bzgl. der durch das Schulministerium verbindlich festgelegten Aufgabe empfiehlt der PhV NW nachdrücklich, die während der Coronapandemie eingeführte Regelung der „3 Auswahlmöglichkeiten / keine vorgegebene Aufgabe“ unbedingt fortzuführen. Dies nimmt zum einen erheblichen Druck von den beteiligten Lehrkräften, wenn aufgrund von Unterrichtsausfällen einzelne Aspekte der Inhaltsfelder nicht vollständig behandelt werden konnten und ermöglicht zum anderen eine geeignete Schwerpunktsetzung, wenn Schülerinnen und Schüler zu bestimmten Themen bzw. Fragestellungen ein vertieftes Interesse zeigen. Dadurch, dass das Schulministerium drei Abituraufgaben vorgibt, aus denen zwei auszuwählen sind, ist aus Sicht des PhV NW absolut sichergestellt, dass die wesentlichen Inhalte dieses KLP solide abgebildet werden. Gleichzeitig ermöglicht es aber den beteiligten Lehrkräften einen angemesseneren Spielraum. In der Realität werden Inhalte, die potenziell im Abitur abgefragt werden könnten aber noch nicht vollständig unterrichtet worden sind, häufig im Eilverfahren vermittelt. Die Abiturientinnen und Abiturienten ziehen sich im schlimmsten Fall auf ein reines Auswendiglernen der potenziellen Inhalte und Aufgabentypen zurück. Dies ist aus Sicht des PhV NW zu vermeiden und wird dem insg. auch sehr anspruchsvollen Schulfach Physik nicht gerecht.

Düsseldorf, den 09. Februar 2022

gez. Sabine Mistler
– Vorsitzende –