Eine Inflation der guten Noten?

Kategorien: PhV in den MedienVeröffentlicht: 31.05.2022

„(…) Der nordrhein-westfälische Philologenverband hat 15 Jahre nach Einführung des Zentralabiturs eine Bilanz gezogen. In der Auswertung, die unserer Redaktion vorliegt, kommt der Verband zu dem Schluss: „In jedem Jahr wurden und werden die Durchschnittsnoten der Abiturienten besser.“ Lag 2007 die durchschnittliche Abiturnote noch bei 2,64, so lag sie im Jahr 2021 bereits bei 2,35. „Sehr klar erkennen lässt sich diese Entwicklung auch, wenn man die Zahl der Bestnoten 1,0 vergleicht“, schreibt Guido Schins, Vorstandsmitglied des Verbandes im Bezirk Aachen, in der Auswertung. „Hatten diese 2007 0,64 Prozent der Abiturienten erreicht, so waren das 2021 schon 3,16 Prozent.“ Die „Einsnuller“-Quote habe sich also im Zeitablauf verfünffacht. Ist das eine Noten-Inflation?

„Unsere Auswertung der Zahlen zeigt, dass vor allem in den Fächergruppen der Gesellschaftswissenschaften und der Sprachen, insbesondere der romanischen, sich die Noten kontinuierlich stark verbessert haben“, sagte die Vorsitzende des Philologenverbands NRW, Sabine Mistler, unserer Redaktion. Ein möglicher Erklärungsansatz dafür sei, dass der Fokus deutlich mehr auf Kommunikation gelegt werde, weniger auf Sprachrichtigkeit. Schwankungen gebe es im Fach Mathematik, weshalb es zuletzt auch wieder aufgrund des großen schriftlichen Aufgabenkatalogs Probleme bei den Abiturienten gab. „Auch gibt es im Fach Mathematik einen deutlich geringeren Bewertungsspielraum als in den Gesellschaftswissenschaften und bei den Sprachen“, sagte Mistler.“

(…) „Wir sehen eine Noten-Inflation kritisch“, sagte Mistler: „Die hohe Quote der Studienabbrecher und auch Kritik von Hochschulprofessoren, was die Fähigkeiten der Erstsemester anbelangt, sprechen hier eine deutliche Sprache.“ Es könne nicht sein, dass die Universitäten mit Brückenkursen das aufholen müssten, was offensichtlich beim Abitur versäumt worden sei. Mistler: „Es geht uns um das Wohl der Abiturienten. Sie sollen angemessen auf ein Studium vorbereitet sein. Dafür bedarf es auch einer realistischen Bewertung und einer grundsätzlichen Diskussion über die Lehrinhalte. Eine Entwertung des Abiturs hilft niemandem.“

Der gesamte Beitrag ist am Dienstag, 31. Mai 2022, in der Westdeutschen Zeitung erschienen.