Die Abiturnoten-Inflation

Kategorien: PhV in den MedienVeröffentlicht: 07.06.2022

„Deutschland steht wie jedes Jahr um diese Zeit in der heißen Phase des Abiturs. Anlass für den nordrhein-westfälischen Philologenverband, sich die Abituranforderungen und Benotungen für dieses und die vergangenen Jahre genauer anzuschauen. Die Abiturdurchschnittsnoten in NRW wurden demnach seit 2007 in jedem Jahr besser. Die Verbandsvorsitzende Sabine Mistler befürchtet eine Entwertung des Abiturs durch Noten-Inflation. Ihr liegt die gute Vorbereitung der Abiturienten auf ein Studium am Herzen. Sie fordert deshalb eine realistische Bewertung und eine grundsätzliche Diskussion über Lehrinhalte. Eigentlich gehört dies zu den qualitätssichernden Aufgaben der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Kultusministerien der Länder. Was tut die KMK diesbezüglich – und den die geschilderten Befunde für alle Länder? (…)

Die nötige wissenschaftliche Nacharbeit, in Auftrag gegeben durch die KMK fehlt. Da wir die Abiturnote jedoch als Maß für erbrachte Leistung beispielsweise für die Studienzulassung brauchen, sollten die Messwerte über die Jahre kontinuierlich beobachtet und analysiert werden. Eine Noteninflation kann niemand wollen, der Philologenverband zumindest nicht, aber eine mögliche nötige Nachsteuerung kann nur über ein kontinuierliches Beobachten und den Versuch erfolgen, belastbare Begründungen dafür zu finden. (…)

Der Datenschatz, den wir unter anderem durch die Abiturdurchschnittsnoten, die 1,0-Abschlüsse oder die Durchfallquoten haben, muss nun gehoben werden. Dafür ist aber kein Lehrerverband zuständig (der Philologenverband hat hier verdienstvolle Vorarbeit geleistet), sondern das ist die bisher von der KMK vernachlässigte Aufgabe. Die KMK sollte damit zum Beispiel das Institut für Qualitätssicherung im Bildungswesen, die Ständige Wissenschaftliche Kommission oder eine andere wissenschaftliche Arbeitsgruppe beauftragen. (…)

Gastbeitrag von Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, erschienen am Sonntag, 5. Juni 2022, in der Welt am Sonntag und am Donnerstag, 9. Juni 2022 bei Welt Online.

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