„Kinder müssen unbedingt selbstständig lernen“

Kategorien: PhV in den MedienVeröffentlicht: 25.10.2022

Die Textaufgabe in Mathe, die Erörterung in Deutsch, der Vokabeltest in Englisch, der elektrische Schaltkreis in Physik. Fast alle Eltern wollen ihre Kinder in der Schule unterstützen. Aber wie? Wie weit sollen Eltern bei den Hausaufgaben helfen? Was sind gute Lernhilfen? Was ist kontraproduktiv? Sabine Mistler – Mutter, Lehrerin für Englisch und Sport, Vorsitzende des Philologenverbands NRW – hat Antworten.

Kinder lernen lesen, rechnen, schreiben, Gedichte interpretieren, Klimadiagramme auswerten, eine Gleichung mit zwei Unbekannten lösen. Was sollten Eltern über die Schulzeit ihrer Kinder wissen?
MISTLER Das Schwierigste für Eltern ist, leise zur Seite zu treten und das eigene Kind möglichst unvoreingenommen zu beobachten, es nicht zu überfordern und zu sehen, welche Ansprüche, die wir ans Kind herantragen, unsere eigenen sind. Wir neigen dazu, unbewusst und liebend Druck weiterzugeben. Eine neutrale Haltung einzunehmen, das ist immer wieder aufs Neue eine Herausforderung.

Fangen wir bei der Einschulung an: Was macht das mit einem Kind?
MISTLER Der Anfang der Grundschulzeit ist für Kinder mit Aufregung und Neugier verbunden. Sie müssen still sitzen, in der Klassengemeinschaft lernen, sich neuen Regeln von außen anpassen. Sie brauchen Zeit, um anzukommen. Es ist gut, wenn sie sich in der Schule angenommen und gesehen fühlen.

Wie können Eltern ihre Kinder dabei unterstützen?
MISTLER Sie sollten zunächst nicht proaktiv helfen, sondern erst einmal beobachten.

Nicht nur in der Grundschule, sondern generell: Was genau können Eltern als pädagogische Laien denn beobachten?
MISTLER Sie sollten ein Auge darauf haben, wie das Kind arbeitet. Sie können sehen, ob es motiviert arbeitet, wie lange es sich konzentrieren kann, was ihm leicht und was schwer fällt, ob es die Aufgaben schematisch abarbeitet oder begreift, was es da tut, also sein Wissen auch anwenden kann, ob es das Heft ordentlich führt und ob es sich durch die Schule verändert. Man kann auch beobachten, welcher Lerntyp das Kind ist.

Welche Lerntypen gibt es?
MISTLER Das kann man gut am Beispiel des Vokabel-Lernens darstellen: Es gibt den Typen, der gut auswendig lernen kann. Das sind Schüler, die schauen sich die Vokabeln zehn Minuten an und haben sie in ihrem aktiven und passiven Wortschatz. Es gibt den visuell-haptischen Lerntypen. Das sind die meisten Schüler. Sie lesen und schreiben die Vokabeln. Und es gibt audio-haptisch Lernende, die über Hören und Schreiben lernen. Individuell ist auch, in wie große oder kleine Päckchen sich die Schüler das Zu-Lernende aufteilen.

Wenn Grundschulkinder in die Offene Ganztagsschule (OGS) gehen, haben sie einen kompletten Arbeitstag. Sie sind dann von 8 Uhr bis 16 Uhr unterwegs. Ist das nicht zu viel für Kinder
MISTLER Die OGS ist heute nicht mehr wegzudenken. Sie gibt Kindern Strukturen, die das häusliche Umfeld bisweilen nicht bieten kann. OGS ist für Kinder nicht nur Stress. Es ist auch ein positives Erleben, im Austausch mit anderen zu sein. Der Großteil der Schularbeit sollte aber erledigt sein, wenn die Kinder nach Hause kommen. Allerdings sollten die Eltern sich anschauen, was in der Schule und als Hausaufgabe gemacht wurde. (…)

Das komplette Interview ist am Dienstag, 25. Oktober 2022, in der Rheinischen Post erschienen.

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