„Im Teufelskreis“: Philologen-Chefin Mistler über die Last mit dem Lehrermangel
DÜSSELDORF. Angesichts der Fülle von Herausforderungen, vor denen die Schulen stehen: Wie können Lehrkräfte morgens noch zum Dienst erscheinen mit dem Maß an Optimismus, das für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen unerlässlich ist? Wie lassen sich junge Menschen für den Lehrerberuf gewinnen, wenn die Liste der Zumutungen an die Kollegien täglich länger wird? Auf der edu:regio in Düsseldorf diskutierten darüber Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologenverbands Nordrhein-Westfalen und News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek. Jetzt ist das Video dazu erschienen.
Wie ist die Stimmung an den Gymnasien und Gesamtschulen (für die der Philologenverband ja spricht)? – will Priboschek von Sabine Mistler wissen. Die antwortet: „Es herrscht eine sehr angespannte Stimmung – bis hin zu Verzweiflung und der Sorge, den eigenen Ansprüchen nicht mehr genügen zu können.“ Das Maßnahmenpaket, das die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK gegen den Lehrermangel empfohlen habe, schwebe als Damoklesschwert vor den Augen der Kolleginnen und Kollegen.
Priboschek spricht von „Folterinstrumenten“, die in der Empfehlungsliste enthalten seien. Gemeint sind mögliche Mehrarbeit für Lehrerinnen und Lehrer, Zwangsabordnungen, größere Klassen und die Beschränkung von Teilzeitmöglichkeiten.
Bereits beschlossen ist in Nordrhein-Westfalen (wie in anderen Bundesländern auch), dass Teilzeit nur noch aus familiären Gründen gewährt wird – „Bei uns am Gymnasium ergibt sich daraus ein besonderes Problem“, erklärt Mistler. Nämlich für Korrekturfachlehrkräfte, die sich mit einem Vollzeit-Arbeitsvolumen kaum in der Lage sehen, qualitativ so hochwertig zu arbeiten, wie sie das selbst von sich erwarten. Mit Ohnmacht und Entsetzen werde wahrgenommen, wie sukzessive die Möglichkeiten eingeschränkt würden, mit denen der Druck noch einigermaßen aushaltbar erschien.
Die Kolleginnen und Kollegen fühlten sich nicht wertgeschätzt, so Mistler. Die vorgestellten Maßnahmen zur Erleichterung – wie der Einsatz sogenannter Alltaghelfer – brächten zwar womöglich in Grundschulen ein wenig Entlastung, könnten aber an den Gymnasien und Gesamtschulen nichts bewirken. Mistler: „Wir fühlen uns nicht gesehen.“ Dabei hätten Gymnasiallehrkräfte die wichtige Aufgabe, ihre Schülerinnen und Schüler studierfähig zu machen und zum Abitur zu führen. Die Philologen-Chefin fordert als Sofortmaßnahme eins: „eine deutliche Anhebung der Anrechnungsstunden.“
Weitere Themen: die Konsequenzen aus der IQB-Studie, die Folgen von A13 für Grundschullehrkräfte, die Digitalisierung der Schulen – und die Frage, wie die Schulen für den Berufsnachwuchs attraktiver werden könnten, wenn gleichzeitig die Arbeitsbedingungen verschärft werden. Mistler: „Wir befinden uns in einem Teufelskreis, keine Frage“.
Der gesamte Beitrag ist am Mittwoch, 22. Februar 2023, bei News4Teachers erschienen.
Hier geht es zum Video.