Fachbezogene Hinweise zum Fach Katholische Religion

Kategorien: Aktuelles, StellungnahmeVeröffentlicht: 01.03.2023

Fachbezogene Hinweise zum
Fach Katholische Religion

des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen
(PhV NRW)

im Rahmen der Novellierung von Kernlehrplänen für die
gymnasiale Oberstufe an Gymnasium, Gesamtschule
und Weiterbildungskolleg/Abendgymnasium

in den Jahren 2023/2024

I. Allgemeiner Teil

Der PhV NRW begrüßt ausdrücklich, dass wiederum die Möglichkeit eröffnet wird, den Lehrplankommissionen zu Beginn ihrer Arbeit für die noch verbleibenden Fächer fachbezogene Hinweise in Hinblick auf Notwendigkeiten der Ergänzung, der konkretisierenden Ausschärfung und/oder der Kürzung in Bezug auf die derzeit gültigen Kernlehrpläne der Oberstufe zu geben.

Den dafür vorgesehene Zeitrahmen von nur etwa drei Wochen halten wir für nicht angemessen. Er stellt für uns eine große Herausforderung dar, um eine angemessene Rückmeldung geben zu können. Wir bitten zukünftig um eine längere Frist.

Nach einer größeren Umstrukturierung durch die letzte Novellierung im Jahr 2013 stellt sich in den einzelnen Fächern grundsätzlich die Frage nach der Notwendigkeit von Veränderungen. Diese liegt sicherlich zum einen in der Anschlussfähigkeit zur Sek. I durch die neuen KLP im Jahr 2019. Zum anderen bleiben Diskussionspunkte, die bereits im Rahmen der KLP von 2013 geäußert wurden und sich auf grundlegende Fragen wie der sinnvollen Einbindung des MKR NRW, der stärkeren Konkretisierung von Inhalten und dem Vermeiden einer inhaltlichen Überfrachtung beziehen.

Bei der Novellierung der KLP aller Fächer müssen die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang von KI (DeepL, ChatGPT etc.) hinsichtlich ihrer Konsequenzen für Unterricht und Leistungsbewertung geprüft werden. Gegebenenfalls sind eine Erweiterung des MKR NRW sowie Änderungen bestimmter Aufgaben- und Prüfungsformate notwendig. Die KLP sollten dazu konkrete Beispiele und Hilfen geben. Chancengleichheit und Eigenständigkeit der individuellen Leistung sind weiterhin wichtige Kriterien bei der Bearbeitung von Lern- und Prüfungsaufgaben. Insofern brauchen wir klare Handlungsempfehlungen, wann die Nutzung bestimmter digitaler Medien und Werkzeuge sinnvoll ist und wann sie eingeschränkt werden sollte. Bestimmte Aufgaben- und Prüfungsformate, wie Teile der häuslichen Arbeit, die besondere Lernleistung und die Facharbeit müssen allerdings wohl grundsätzlich hinterfragt werden. Das wissenschaftspropädeutische Lernen bekommt einen neuen Stellenwert, da den Schülerinnen und Schülern bewusst gemacht werden muss, dass bestimmte Formen der KI keine Quellen angeben und auch Falschaussagen enthalten, die sich nur schwer überprüfen lassen.


II. Fachspezifischer Teil

Grundsätzlich hat sich der aktuelle KLP bezogen auf die vier Kompetenzbereiche und sechs Inhaltsfelder im Fach Katholische Religion bewährt. Diese sollten übernommen werden.

Eine strukturelle Problematik, die wir bereits in unserer Stellungnahme 2013 geäußert haben, bleibt allerdings bestehen. Sie betrifft die Aufteilung der Inhaltsfelder in EF und Q1/2 (Grundkurs). Wir wiederholen daher folgende Hinweise:

Die fünf inhaltlichen Dimensionen des Faches Katholische Religion im vorangegangenen Lehrplan wurden zu sechs Inhaltsfeldern im aktuellen Lehrplan erweitert. Diese Erweiterung entsteht durch die Aufteilung der vorherigen Dimension „Die Sinngebung menschlichen Daseins und Handelns aus christlicher Motivation“ (Anthropologie und Ethik) in die zwei Inhaltsfelder „Der Mensch in christlicher Perspektive“ (Anthropologie) und „Verantwortliches Handeln aus christlicher Motivation“ (Ethik). Diese Aufteilung trägt zur Klarheit bei und ist nachvollziehbar. Zuvor kam häufig entweder die Anthropologie oder die Ethik zu kurz.

Von den nun sechs Inhaltsfeldern sollen drei in der EF behandelt werden und dann nochmal alle sechs in der Q1/2. Anthropologie, Gottesfrage und Ethik tauchen im Verlauf der Oberstufe also doppelt auf. Es werden dabei zwar zumeist unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte gesetzt, aber es besteht dennoch die Gefahr der Doppelung.

In diesem Zusammenhang entsteht ein weiteres, sehr schwerwiegendes Problem: Die Behandlung aller sechs Inhaltsfelder (Anthropologie, Gottesfrage, Christologie, Ekklesiologie, Ethik und Eschatologie) in der Q1/2 stellt eine inhaltliche Überfrachtung dar. Die damit verbundene Absicht dürfte gewesen sein, von der vorherigen Verteilung der inhaltlichen Dimensionen bzw. Inhaltsfelder auf die Kurshalbjahre wegzukommen (pro Kurshalbjahr eine Dimension bzw. ein Inhaltsfeld), weil alle sechs Inhaltsfelder zusammenhängen und stärker verzahnt werden sollen. Die konkretisierten Kompetenzerwartungen zeigen jedoch, dass insbesondere die Inhaltsfelder Gotteslehre, Christologie und Ekklesiologie weiterhin sehr umfangreich sind, also jeweils ein Halbjahr benötigen (Q 1.1/Q1.2./Q 2.1.). Dann bleibt noch ein Quartal in Q 2.2. für die Inhaltsfelder Anthropologie, Ethik und Eschatologie. Es erscheint zeitlich kaum möglich die konkretisierten Kompetenzerwartungen zu diesen Inhaltsfeldern – auch nicht teilweise – in die Kursplanung der vorangehenden drei Halbjahre einzuarbeiten. Zu beachten ist dabei außerdem, dass neben der Obligatorik noch ein Freiraum bleiben soll für eigene Schwerpunkte der Kurse. Dieser Freiraum ist kaum noch gegeben.

Es ist klar, dass es sich bei dieser Konzeption um ein zentrales Anliegen des aktuellen Lehrplans handelt. Trotzdem halten wir Änderungen in dieser Frage bei der nun anstehenden Novellierung für notwendig. Eine mögliche Lösung des Problems könnte darin bestehen, das Inhaltsfeld der Anthropologie (IF 1) nur in der EF obligatorisch vorzuschreiben und nicht noch einmal in der Q1/2. Die Ethik (IF 5) lässt sich gut an die Christologie (IF 3) und Ekklesiologie (IF 4) in Q1/2 anbinden, Teilaspekte der Christologie (Tod und Auferstehung Jesu) gut mit der Eschatologie (IF 6) verknüpfen. Es wird empfohlen, aus dem Inhaltsfeld 5 (Ethik) die erste Sachkompetenz (SuS analysieren verschiedene Modelle der Normbegründung an einem konkreten ethischen Entscheidungsfeld) in der Q1/2 zu streichen (vgl. S. 29).

Es ergibt sich daraus grob gesagt folgende Verteilung der Inhaltsfelder im Fach Katholische Religion:

EF:  

  • IF 1:       Anthropologie (so wie vorgesehen, ergänzt durch den inhaltlichen Schwerpunkt „Die Sehnsucht nach einem gelingenden Leben“ vgl. S. 25f.)
  • IF 2:      Gotteslehre (so wie vorgesehen)
  • IF 5:     Ethik (so wie vorgesehen)

Q1/2:

  • IF 2:      Gotteslehre (so wie vorgesehen)
  • IF 3:      Christologie (so wie vorgesehen)
  • IF 4:      Ekklesiologie (so wie vorgesehen)
  • IF 5:     Ethik (Streichen der ersten Sachkompetenz, vgl. S. 29)
  • IF 6:      Eschatologie (so wie vorgesehen)

Entsprechend müsste man beim Leistungskurs Katholische Religion verfahren.

Weitere allgemeine Hinweise:

  • Grundsätzlich wäre eine noch stärkere religionswissenschaftliche Ausrichtung zu wünschen statt einer konfessionellen Engführung.
  • Das katholische Profil lässt sich am besten in die Ekklesiologie sinnvoll integrieren.
  • Grundlegende Reflexionen zu existenziellen Themen ohne konfessionelle Engführung sollten ausgebaut werden, d.h. man sollte diverse andere (antike und gegenwärtige) Perspektiven auf Gott, Lebensmodelle, Ethik usw. integrieren (eventuell auch mal einen Dialog zwischen Christen und Muslimen, Hindus etc., um die grundlegenden Konzepte hinter vielen Religionen zu erkennen).
  • Ohne die dogmatische, systematische Theologie zu vernachlässigen, plädieren wir grundsätzlich auch für einen Ausbau der Behandlung  grundlegender biblischer Texte und ihrer Auslegungen, weil der Fundus biblischer Texte fundamental für ein Verständnis kultureller Überlieferungen und Texte ist. Die kulturelle Bedeutung des Religionsunterrichts sollte stärker betont werden und könnte so eine Bedeutsamkeit auch für andere Fächer entfalten.
  • Der neue KLP sollte beispielhaft konkrete Vorschläge für verschiedenartige Texte enthalten, die für den Unterricht in der gymnasialen Oberstufe  undlegend sind, abgestimmt auf die Vorgaben des Zentralabiturs. Hierbei sind natürlich nicht nur theologisch deutende Sekundärtexte, sondern auch biblische Texte gemeint.
  • Wünschenswert wäre, den “Sitz im Leben”, d.h. den konkreten Lebensbezug der theologischen Inhalte noch stärker in den KLP einzubeziehen. So  sollte z.B. sehr konkret angegeben werden, mit welchem theologischen Inhalt etwa das Thema “Künstliche Intelligenz” verbunden werden könnte.

gez. Sabine Mistler
– Vorsitzende –