Fachbezogene Hinweise zum Fach Spanisch
Fachbezogene Hinweise zum
Fach Spanisch
des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen
(PhV NRW)
im Rahmen der Novellierung von Kernlehrplänen für die
gymnasiale Oberstufe an Gymnasium, Gesamtschule
und Weiterbildungskolleg/Abendgymnasium
in den Jahren 2023/2024
I. Allgemeiner Teil
Der PhV NRW begrüßt ausdrücklich, dass wiederum die Möglichkeit eröffnet wird, den Lehrplankommissionen zu Beginn ihrer Arbeit für die noch verbleibenden Fächer fachbezogene Hinweise in Hinblick auf Notwendigkeiten der Ergänzung, der konkretisierenden Ausschärfung und/oder der Kürzung in Bezug auf die derzeit gültigen Kernlehrpläne der Oberstufe zu geben.
Den dafür vorgesehene Zeitrahmen von nur etwa drei Wochen halten wir für nicht angemessen. Er stellt für uns eine große Herausforderung dar, um eine angemessene Rückmeldung geben zu können. Wir bitten zukünftig um eine längere Frist.
Nach einer größeren Umstrukturierung durch die letzte Novellierung im Jahr 2013 stellt sich in den einzelnen Fächern grundsätzlich die Frage nach der Notwendigkeit von Veränderungen. Diese liegt sicherlich zum einen in der Anschlussfähigkeit zur Sek. I durch die neuen KLP im Jahr 2019. Zum anderen bleiben Diskussionspunkte, die bereits im Rahmen der KLP von 2013 geäußert wurden und sich auf grundlegende Fragen wie der sinnvollen Einbindung des MKR NRW, der stärkeren Konkretisierung von Inhalten und dem Vermeiden einer inhaltlichen Überfrachtung beziehen.
Bei der Novellierung der KLP aller Fächer müssen die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang von KI (DeepL, ChatGPT etc.) hinsichtlich ihrer Konsequenzen für Unterricht und Leistungsbewertung geprüft werden. Gegebenenfalls sind eine Erweiterung des MKR NRW sowie Änderungen bestimmter Aufgaben- und Prüfungsformate notwendig. Die KLP sollten dazu konkrete Beispiele und Hilfen geben. Chancengleichheit und Eigenständigkeit der individuellen Leistung sind weiterhin wichtige Kriterien bei der Bearbeitung von Lern- und Prüfungsaufgaben. Insofern brauchen wir klare Handlungsempfehlungen, wann die Nutzung bestimmter digitaler Medien und Werkzeuge sinnvoll ist und wann sie eingeschränkt werden sollte. Bestimmte Aufgaben- und Prüfungsformate, wie Teile der häuslichen Arbeit, die besondere Lernleistung und die Facharbeit müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Das wissenschaftspropädeutische Lernen bekommt einen neuen Stellenwert, da den Schülerinnen und Schülern bewusst gemacht werden muss, dass bestimmte Formen der KI keine Quellen angeben und auch Falschaussagen enthalten, die sich nur schwer überprüfen lassen.
II. Fachspezifischer Teil
Davon ausgehend, dass der KLP für die Oberstufe im Fach Spanisch vor dem Hintergrund der Umsetzung der KMK Beschlüsse und Bildungsstandards in Anlehnung an die nun vorliegenden Entwürfe der KLP für die Oberstufe in Englisch und Französisch formuliert werden wird, werden hier entlang der Chronologie des Fließtextes der Entwürfe für Englisch und Französisch einige auch für das Fach Spanisch relevante Schwerpunktaspekte genannt, sowie auffallende Unstimmigkeiten im Abgleich der KLP Englisch und Französisch untereinander, die ebenfalls für das Fach Spanisch relevant sind, hervorgehoben.
Empfehlungen zu Kapitel 1 – Aufgaben und Ziele im Fach Spanisch:
- Benennen der interkulturellen Handlungsfähigkeit als Leitziel mit Blick auf die individuelle Mehrsprachigkeit
=> unterrichtliche Vermittlung fachlicher (fehlt in Englisch), sprachlich-kommunikativer und interkultureller Kompetenzen
=> konsequentes Anknüpfen an sprachliches, strategisches (fehlt in Englisch) und interkulturelles Wissen
- Herausstellen der Besonderheiten der spanischen Sprache und der damit verbundenen beruflichen und gesellschaftlichen Vorzüge
- Fokus auf die unterrichtliche, progressive und systematische Verzahnung der Kompetenzbereiche in Abstimmung auf die Fachinhalte
- Verwendung der spanischen Sprache als Arbeits- und Kommunikationssprache
- Fokus auf den Bildungsauftrag an Gymnasien und Gesamtschulen (vertiefte Allgemeinbildung, allgemeine Studierfähigkeit, Vorbereitung auf die Berufs- und Arbeitswelt), den allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag (Menschenrechtsbildung, Werteerziehung, …)
- Fokus auf sachbezogene Diskurskompetenzen (Fokus fehlt in Französisch)
=> fachsprachliches (fehlt in Französisch), interkulturelles und anwendungsorientiertes Handeln - Fokus auf sprachlichen und gesellschaftlichen Wandel (Fokus fehlt in Französisch)
=> multiperspektivischer und systematischer Kompetenzaufbau in komplexen, realitätsnahen und anwendungsorientierten Aufgabenstellungen
=> problemorientierte Behandlung soziokulturell und global bedeutsamer Themen und deren Darstellung in authentischen spanischsprachigen Texten
=> Sprachbewusstheit zur reflektierten Sprachbeherrschung und Förderung der interkulturellen Handlungsfähigkeit - Fokus auf historisch erklärende Perspektive und diversitätssensible Perspektive (Fokus fehlt in Französisch)
=> Bereitschaft zur Selbstreflexion (fehlt in Französisch) - Beschäftigung mit literarisch-ästhetischer Dimension
=> Motivation auch zum lebenslangen Sprachenlernen, Entwicklung individueller Mehrsprachigkeitsprofile, Sprachlernkompetenz - Fokus auf selbständiges Lernen
=> anregende Lerngelegenheiten
=> gut organisierter und vernetzter Wissens- und Kompetenzaufbau (Erwerb, Vertiefung, Reflexion)
=> unterrichtliche Vorhaben (Projekte, Wettbewerbe, internationale Begegnungen, Austausch, Exkursionen, Studienfahrten, …) - Fokus auf individuelle Förderung
Empfehlungen zu Kapitel 2 – Kompetenzbereiche, Kompetenzerwartungen und fachliche Konkretisierungen im Fach Spanisch:
Da das Kapitel 2.1 in den KLP GOSt Englisch und Französisch absolut identisch ist, ist davon auszugehen, dass es auch in Spanisch identisch hierzu sein wird.
Unstimmigkeiten ergeben sich aus der „Text“-Definition in Kapitel 2.1:
Auf S. 12 unter interkulturelle kommunikative Kompetenz heißt es:
«Als „Text“ werden in diesem Zusammenhang alle mündlich, schriftlich und medial vermittelten Produkte verstanden, die Schülerinnen und Schüler rezipieren, produzieren oder austauschen.»
Auf S.13 unter Text- und Medienkompetenz heißt es weiter:
«Auch in diesem Zusammenhang gilt der erweiterte Textbegriff.»
Auf S. 13 kann nicht der Rückgriff auf die „Text“-Definition von S. 12 gemeint sein, was deutlich hervorgehoben werden müsste.
Erläuterung:
Vor dem Hintergrund oberstufenangemessenen Unterrichts ist von einer komplexen unterrichtlichen Lernsituation laut Diagramm auf S. 14 dann auszugehen, wenn auf der Basis einer oder mehrerer authentischer Textgrundlagen (authentischer Text im erweiterten Textbegriff [Text, Bild, Film, Karikatur, Diagramm, …], also keine Produkte von Schülerinnen und Schülern) Sprachhandeln mittels gezielter Förderung funktionaler kommunikativer Kompetenzen in interkulturellen Kontexten und damit gezielter Förderung der interkulturellen kommunikativen Kompetenz ermöglicht wird, wobei Sprachlernkompetenz und Sprachbewusstheit quer zu den erstgenannten Kompetenzen liegen und gezielt und in Abstimmung auf erstere Berücksichtigung finden.
Eine entsprechende Erläuterung des Schaubildes auf S. 14 mit Blick auf eine durchgängig integrative Vermittlung der abgebildeten Kompetenzen ist wünschenswert und könnte der isolierten, unterrichtlichen Behandlung einzelner Teilkompetenzen vorbeugen.
Bezogen auf Kapitel 2.2 ist mit Rückblick auf den KLP SI Spanisch und den Vergleich der Entwürfe KLP GOSt Englisch und Französisch zu beachten:
- Beachtung einer durchgängigen Passung von Referenzniveau, Deskriptor, Indikatoren und fachlichen Konkretisierungen
- Vermeidung von Variation in Qualität, Präzision und Anzahl der Indikatoren zu identischen Deskriptoren
- Deskriptoren haben über alle drei Fächer (Spanisch/Englisch/Französisch) identische Formulierung auf gleichem Referenzniveau des GeR
- Verwendung gleicher Einschränkungen („weitgehend“/ „in der Regel“) in der Formulierung der Deskriptoren für die Beschreibung gleicher Niveaustufen
- Vermeidung nicht qualitativer Einschränkungen („kurz“/ „umfangreich“) in der Formulierung der Deskriptoren und ggf. Ersetzen durch qualitative („einfach“/ „schwer“)
- Vermeidung unpräziser, irrelevanter Einschränkungen (z. B. „möglichst korrekte“ „weitgehend korrekte“/ „in der Regel korrekte“/ „kurze“) in den fachlichen Konkretisierungen
- Vermeidung fachlicher Konkretisierungen in präskriptiven, detailfreudigen und eng führenden Abhaklisten, zur Vermeidung einer isolierten unterrichtliche Behandlung (bei nicht geforderter integrativer Vermittlung der Kompetenzen in Kapitel 2.1)
Empfehlungen zu Kapitel 3 – Lernerfolgsüberprüfung und Leistungsbewertung im Fach Spanisch
Da das Kapitel 3 in den KLP GOSt Englisch und Französisch absolut identisch ist, ist davon auszugehen, dass es auch in Spanisch identisch hierzu sein wird.
Unstimmigkeiten:
Auf S. 38 KLP GOSt Englisch im Beurteilungsbereich „schriftliche Arbeiten/Klausuren“ steht:
- «In der neu einsetzenden Fremdsprache ist in der Einführungsphase nur die Überprüfung der Teilkompetenz Schreiben verpflichtend. Sie kann durch weitere Überprüfungsformen (z. B. zum Verfügen über sprachliche Mittel) ergänzt werden.»
Erläuterung:
Diese Formulierung suggeriert die Möglichkeit ohne authentische Textgrundlage im erweiterten Textbegriff (Text, Bild, Karikatur, Graphik, …) Klausuren schreiben zu lassen und öffnet damit das Tor, auswendig gelernte Inhalte zu reproduzieren (Widerspruch zu Chancengleichheit, Eigenständigkeit der Leistung, zielgerichteter Vorbereitung auf die Qualifikationsphase durch sukzessive, kummulative Abdeckung der Anforderungsbereiche, …).
Hier ergibt sich zudem ein Widerspruch zu S. 37 KLP GOSt Englisch:
«Ein isoliertes, lediglich auf Reproduktion angelegtes Abfragen einzelner Daten und Sach- verhalte allein kann dabei den zuvor formulierten Ansprüchen an die Leistungsfeststellung nicht gerecht werden.»
- In der Qualifikationsphase trägt zudem eine komplexe Leistungsüberprüfung (u. a. Facharbeit, Projektkurs) dazu bei, die Schülerinnen und Schüler mit den Prinzipien und Formen selbstständigen, wissenschaftspropädeutischen Lernens vertraut zu machen.»
Erläuterung:
Die Komplexität der Leistungsüberprüfung ist mit Blick auf KI (DeepL, ChatGPT, …) im Hinblick auf selbständiges, wissenschaftspropädeutisches Lernen neu zu bewerten. Auch hier ergibt sich zudem der Widerspruch zu Chancengleichheit und Eigenständigkeit der Leistung.
Auf S. 39 KLP GOSt Englisch im Beurteilungsbereich „Sonstige Leistungen im Unterricht/Sonstige Mitarbeit“ heißt es:
- «Zu den Bestandteilen der „Sonstigen Leistungen im Unterricht/Sonstigen Mitarbeit“ zählen u. a. unterschiedliche Formen der selbstständigen und kooperativen Aufgabenerfüllung, Beiträge zum Unterricht, von der Lehrkraft abgerufene Leistungsnachweise wie z. B. die schriftliche Übung, von der Schülerin oder dem Schüler vorbereitete, in abgeschlossener Form eingebrachte Elemente zur Unterrichtsarbeit, die z. B. in Form von Präsentationen, Protokollen, Referaten und Portfolios möglich werden.»
Erläuterung:
Sämtliche in häuslicher Arbeit erstellte Leistungen sind mit Blick auf KI (DeepL, ChatGPT, …) und externe Unterstützung/Anfertigung im Hinblick auf Eigenständigkeit der Leistung und Chancengleichheit neu zu bewerten.
Auf S. 41 KLP GOSt Englisch im Beurteilungsbereich „Überprüfungsformen für die jeweiligen Teilkompetenzen – Hörverstehen und Hörsehverstehen“ heißt es:
- «Für die Erstellung einer Aufgabe kommen eine Vielzahl monologischer und dialogischer Hör-/Hörsehtextformate in Frage. Die Charakteristika der Textsorte bleiben in der Vorlage erhalten. Das Sprechtempo der Vorlage kann variieren und entspricht der Sprechweise von Sprechern auf muttersprachlichem Niveau. Die Länge einer Vorlage hängt von ihrem Schwierigkeitsgrad und der zu bearbeitenden Aufgabe ab. Der präsentierte Ausschnitt kann durch eine kurze situative Einbettung sprachlich vorentlastet werden. Vor der Darbietung der Vorlage muss den Schülerinnen und Schülern ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt werden, die Aufgabenstellung(en) zu lesen. Bei Aufgaben zur Überprüfung des Hör-/Hörsehverstehens sind grundsätzlich zwei Hör- /Hörsehvorgänge vorzusehen. »
Erläuterung:
Die Angaben sind durch offene, wenig konkrete Formulierungen (Vielzahl …/ Charakteristika der Textsorte …) und Abhängigkeiten (Sprechtempo, Länge, Schwierigkeitsgrad, Aufgabenformulierung, …) insgesamt vage.
Eine Festlegung erfolgt jedoch auf zwei Hör- /Hörsehvorgänge.
Das steht im Widerspruch zur gängigen fachdidaktischen Vorgehensweise (Anbahnung authentischen Hör- /Hörsehverstehens – erster Zugriff ohne Hör- /Hörsehauftrag).
Ein Vorschalten eines zusätzlichen Hör- /Hörsehvorgangs ohne Arbeitsauftrag ist notwendig, auch um unterrichtliches teaching to the test und den damit verbundenen Wegfall dieses ersten, offenen Einlassens auf authentische Hör-/ Hörsehsituationen zu vermeiden.
Empfehlungen zu Kapitel 4 – Abiturprüfung
Da das Kapitel 4 in den KLP GOSt Englisch und Französisch ebenso absolut identisch ist, ist davon auszugehen, dass es auch in Spanisch identisch hierzu sein wird.
Hinweise zur Erleichterung des Verständnisses und zur Vermeidung von Missverständnissen:
- Die ausgewiesenen Anforderungsbereiche I bis III auf S. 43 KLP GOSt Englisch müssen mit Blick auf die konkrete Arbeit in den modernen Fremdsprachen im Umgang mit Texten und Medien (Informationsentnahme, Informationsverarbeitung und Informationsbewertung) an irgendeiner Stelle konkretisiert werden.
- Auf S. 46 KLP GOSt Englisch heißt es unter „erster Prüfungsteil“:
«Weitere Hilfsmittel, die eine wirkungsvolle Präsentation unterstützen, können dem Prüfling zur Verfügung gestellt werden. Deren Anwendung muss im vorausgegangenen Unterricht hinreichend geübt worden sein.»
Ist damit die Möglichkeit der Nutzung digitaler Medien geschaffen? Wie wird dann die Chancengleichheit bei unterschiedlicher schulischer Ausstattung hergestellt? - Die besondere Lernleistung (S. 47 KLP GOSt Englisch) als eine überwiegend in häuslicher Arbeit erstellte Leistung ist ähnlich wie die Facharbeit mit Blick auf KI (DeepL, Chat GPT, …) und externe Unterstützung/Anfertigung im Hinblick auf Eigenständigkeit der Leistung und Chancengleichheit neu zu bewerten.
gez. Sabine Mistler
– Vorsitzende –