Stellungnahme zum Handlungskonzept “Unterrichtsversorgung”
Erschütternde Ergebnisse bei IQB-Bildungstrend.
Die Landesregierung muss alles daransetzen, die Qualität der Bildung zugunsten der Bildungsgerechtigkeit zu heben.
Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/1365
Lehrerstellenbesetzungsoffensive NRW –
Aufklaffende Lehrkräftelücke jetzt vorausschauend und qualitätssichernd schließen!
Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/1102
Handlungskonzept Unterrichtsversorgung,
Vorlage 18/604
Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung und des Wissenschaftsausschusses am 07. März 2023
Stellungnahme des Philologenverbandes
Nordrhein-Westfalen
Sehr geehrter Herr Kuper,
wir danken für die Möglichkeit der Stellungnahme zu der oben genannten Vorlage und den beiden Anträgen.
Zum Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/1365:
Der Antrag stellt heraus, dass eine dringliche Gegensteuerung als Konsequenz aus den „erschütternden Ergebnissen der IQB-Bildungstrends“ erforderlich ist. Diesem Ansinnen stimmt der PhV NRW ausdrücklich zu. Die Tatsache allerdings, dass die Ursachen für den Abwärtstrend noch nicht klar definiert werden können, veranlasst uns zu der Forderung, diese durch wissenschaftliche Unterstützung valide evaluieren zu lassen.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf
- Aufbauend auf dem Masterplan Grundschule, Maßnahmen zur Förderung der Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen in den Fokus zu stellen.
Wir unterstützen diesen Ansatz und begrüßen den Vorstoß des Ministeriums, mögliche Maßnahmen mit Experten zu prüfen. Aufgrund unserer Erfahrungen hat sich die Einführung des Faches Englisch in der Grundschule nicht bewährt. Daher begrüßen wir, dass der Masterplan Grundschule zumindest ein späteres Einsetzen der Fremdsprache vorsieht. Die Unterrichtsstunden hätten sicherlich der Vertiefung des Lesens, Schreibens, Rechnens gutgetan. Wir denken, dass das Ministerium mit den Maßnahmen zur Förderung der Kernkompetenzen einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Bildungsgerechtigkeit beitragen wird. - eine deutliche Entlastung der Lehrkräfte von nicht-pädagogischen Aufgaben…
Das Handlungskonzept des Ministeriums sieht diese Entlastung bereits vor und der PhV NRW begrüßt diesen Ansatz ausdrücklich. In diesem Zusammenhang ist es wichtig schulformbezogene und bedarfsspezifische Schwerpunktsetzungen zu beachten. Die Lehrkräfte müssen sich endlich wieder ihren Schwerpunktaufgaben widmen können. Das Kerngeschäft sollte endlich wieder der Unterricht sein, mit all seinen pädagogischen Aufgaben und Herausforderungen. Die starke Ausweitung unterrichtsfremder, organisatorischer Aufgaben und die intensive Arbeit an Konzepten, deren Implementierung, Durchführung und Evaluation, stellen in den letzten Jahren zunehmend eine Herausforderung dar. Vielleicht müsste man überlegen, inwieweit diese auch auszulagern wären oder durch Unterstützungspersonal erarbeitet und umgesetzt werden könnten.
- eine Lehrerbesetzungsoffensive.NRW …
(vgl. Stellungnahme zur Drucksache 18/1102) - das erfolgreiche und gut angekommene Einsetzen sozialpädagogischer Fachkräfte in der Schuleingangsphase weiter auszubauen…
Der PhV NRW befürwortet diesen Ansatz, denn die Fachkräfte erleichtern und unterstützen sowohl das Lehrpersonal als auch vor allem die Schülerinnen und Schüler.
- die Talentschulen weiter ausbauen…
Der PhV NRW hat dieses Vorhaben von Beginn an unterstützt und somit stimmen wir auch dieser Forderung zu. Es müsste überlegt werden, ob es nicht sinnvoll sein könnte, an Standorten mit besonderen Herausforderungen sowohl Grundschulen als auch weiterführende Schulformen gleichermaßen zu Talentschulen zu machen.
- Familienzentren an den Kindertagesstätten sowie Familiengrundschulzentren weiter auszubauen.
Dieses Ansinnen unterstützt der PhV NRW, da dadurch ein wichtiger Beitrag zur Integration, Chancengerechtigkeit und Unterstützung der Familien geleistet werden kann.
- sicherzustellen, dass jede der fast 2.900 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen mit mindestens einer sonderpädagogischen Fachkraft zusätzlich unterstützt wird.
Selbstverständlich benötigen die Grundschulen mehr sonderpädagogisches Fachpersonal. Dennoch erachten wir dieses Ziel im Zusammenhang mit dem Mangel an sonderpädagogischen Fachkräften als kurz- und mittelfristig nicht realistisch umsetzbar. Leider haben das unkoordinierte Vorgehen der Verantwortlichen der vorletzten Landesregierung mit den landesweiten Schließungen von Förderschulen und der daraus folgenden massiven Belastung der sonderpädagogischen Lehrkräfte, das Berufsbild sehr unattraktiv gemacht. Daher ist es dringend geboten, auch wieder über Neugründungen von Förderschulen nachzudenken und vor allem eine Attraktivitätsoffensive für das Lehramt Sonderpädagogik zu schaffen.
- Sofortmaßnahmen für die unterrichtsbegleitende individuelle Unterstützung der Schülerinnen und Schüler der Eingangsklassen an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen umgehend auf den Weg zu bringen.
Der PhV NRW fragt sich, warum hier die Gymnasien nicht mit einbezogen werden, denn auch hier gibt es standortbezogen vergleichbare Herausforderungen, wie an den anderen weiterführenden Schulen. Zudem fordern wir eine Fortsetzung der Maßnahme „Aufholen nach Corona“, die allerdings evaluiert werden sollte. Darüber hinaus müssten entsprechend aktuelle Entwicklungen Berücksichtigung finden.
- Zusätzliche Studienstandorte für das Grundschullehramt…
Der PhV NRW begrüßt die Forderungen nach einer Erweiterung der Studienstandorte ausdrücklich und bittet gleichfalls zu prüfen, inwieweit die Eingangsbedingungen für Studierende angepasst bzw. erleichtert werden können.
- Bei der Umsetzung des Startchancen-Programms auf den Bund zuzugehen und zu einer beschleunigten Umsetzung zwischen Bund und Ländern beizutragen…
Wie könnte man gegen dieses Anliegen sein, schließlich haben Schülerinnen und Schüler aus sozioökonomisch benachteiligten Familien in Deutschland nach wie vor schlechtere Bildungschancen, daher wäre eine Beschleunigung des Programms wichtig.
- die auskömmliche Finanzierung der Sprach-Kitas zu gewährleisten.
Das Beherrschen der Bildungssprache Deutsch ist die Grundlage für eine erfolgreiche Bildungs- und Berufsbiografie und diese sollte ab der frühen Kindheit gefördert werden, daher unterstützt der PhV NRW dieses Anliegen in vollem Umfang.
Zum Antrag der FDP Fraktion 18/1102: Lehrerstellenbesetzungsoffensive.NRW – Aufklaffende Lehrkräftelücke jetzt vorausschauend und qualitätssichernd schließen!
Der PhV NRW stellt fest, dass die zyklischen Über- und Unterhänge von Lehrkräften an unterschiedlichen Schulformen das System in NRW über Jahrzehnte begleiten. Dies geht zulasten der Bildungsaufträge der Schulformen, der Lehrkräfte und nicht zuletzt der Schülerinnen und Schüler.
Der derzeitige Mangel, der sich deutschlandweit darstellt, sollte als großes Warnsignal für die Zukunft verstanden werden. Wurde Bildung in den letzten Jahrzehnten/Jahren nicht ernst genommen? Die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und anderen Herausforderungen wie der Umgang mit Migration und Inklusion sind unterschätzt worden. Lehrkräften sind zu viele Aufgaben übertragen worden, die auch gleichzeitig in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung liegen. Die Erweiterung der Eigenverantwortung von Schule hat auch dazu geführt, dass sehr viel/zu viel Verantwortung von oben nach unten abgegeben worden ist. Diese Entwicklung wurde nicht mit ausreichend Ressourcen unterstützt und hat schließlich auch dazu geführt, dass wir heute rückläufige Studierendenzahlen haben. Der Lehrerberuf hat massiv an Attraktivität verloren.
- Die Krankenstände steigen.
- Viele Lehrkräfte gehen bereits mit dem 63. Lebensjahr aus dem Dienst, unter Einbußen beachtlicher Pensions- und Rentenansprüche.
- Viele junge Lehrkräfte starten mit Teilzeit in den Dienst.
- Lehrkräfte, vor allem an den Gymnasien und Gesamtschulen, haben immer mehr das Gefühl, ihren eigenen Ansprüchen an guten Unterricht nicht mehr gerecht werden zu können.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- Anpassungen bei der Einstiegsbesoldung für alle Lehrkräfte fortzusetzen.
Die Besoldungsanpassung in den von der Landesregierung vorgesehenen Schritten hält der PhV NRW für durchaus vertretbar.Wir hätten allerdings die Stellungnahme zu dieser stufenweisen Anpassung sehr gern im Zusammenhang mit der Gesamtanpassung, inklusive der Vorstellungen zum Erhalt der Abstandsgebote vorgenommen.Der PhV NRW hat diese Anpassungen mitgetragen, da wir die großen Herausforderungen für alle Lehrkräfte der Primar- und S-I-Schulen sehen. Dennoch erwarten wir, dass auch die besonderen Herausforderungen für und Ansprüche an die S-II-Lehrkräfte nicht aus den Augen verloren werden. Wir begrüßen daher, dass diesen Lehrkräften die Laufbahngruppe 2.2 vorbehalten bleibt, weisen aber darauf hin, dass zwecks Auffangens der besonderen Belastungen durch die Aufgaben der S-II-Lehrkräfte dringend über eine Verringerung des Wochenstundendeputats um 2 Wochenstunden nachgedacht werden sollte und/oder mindestens über eine Verdopplung der Anrechnungsstunden. Zudem erwarten wir die Ausschöpfung der Beförderungsstellen A14 (65%) und eine Ausschöpfung und Anpassung der A15 Stellen (von 21 auf 35%). Da Schulformen Gymnasium und Gesamtschule große Systeme sind, in denen viele Sonderaufgaben anfallen, die auf entsprechend viele Lehrkräfte verteilt werden müssen. Dies würde auch zur Attraktivierung der Lehrtätigkeit an diesen Schulformen beitragen.
- den Zugang zum Seiteneinstieg transparenter gestalten.
- den Zugang zum Seiteneinstieg zu erleichtern und attraktiver zu machen.
Ohne den Seiteneinstieg wird mittel- und längerfristig erst einmal nicht auszukommen sein. Wohl aber dürften die Schulformen unterschiedlich davon betroffen sein. Selbstverständlich muss das Ziel sein, eine möglichst gute Qualifikation zu gewährleiten und damit einhergehend muss eine größtmögliche Unterstützung und Begleitung der Seiteneinsteiger gegeben sein.
- die Einstellungsverfahren sowohl für Lehrkräfte, als auch die weiteren Berufsgruppen an den Schulen, einfacher und flexibler zu gestalten…
Diese Forderung findet die Unterstützung des PhV NRW.
- mit passenden Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen den Eintritt und Verbleib im Schuldienst attraktiver zu machen.
Dieses Vorhaben erfordert eine intensive Begleitung und Qualifizierung, die möglichst in ein zweites Staatsexamen mündet.
- ausländische Lehrkräfte nachhaltig für den Schuldienst zu gewinnen und dort zu binden sowie weiterzuentwickeln.
Der PhV NRW unterstützt aus diesem Grund das Netzwerk für Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte. Wichtig ist, dass jedoch der Fokus auch auf das recht zügige Erlangen eines angemessenen Sprachniveaus gelegt wird (mindestens B2 bzw. C1).
- die Lehramtsausbildung zu flexibilisieren und den Vorbereitungsdienst für Absolventinnen und Absolventen anderer Studiengänge zu öffnen.
Dieses Anliegen findet sich in angemessener Form im „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ wieder.
- den Praxisbezug in der Lehramtsausbildung zu stärken und eine Aufwandsentschädigung in den Praxissemestern der Lehramtsstudiums orientiert am BAföG zu gewähren.
Diesen Ansatz unterstützt der PhV NRW.
- mit den Hochschulen Vereinbarungen zu mehr Lehramtsstudienplätzen zu treffen sowie zusätzlich Lehrerausbildungskapazitäten …anzubieten.
Dies scheint aus unserer Sicht im Sinne einer länger- und langfristigen Sicherstellung von Ausbildungsmöglichkeiten unabdingbar zu sein.
- Schulleitungen die Personaleinsatzplanung zu erleichtern und ihnen zusätzlichen Handlungsspielraum zu eröffnen.
Eine zu freie Entscheidungsmöglichkeit kann auch eine Entscheidungsnotwendigkeit und damit eine Zunahme an weiterer Verantwortung bedeuten und zu verstärkten Belastungen der Schulleitungen führen. Daher muss es weiterhin einen eindeutig definierten Handlungs- und Orientierungsrahmen geben, innerhalt dessen schulindividuelle Entscheidungen verantwortungsvoll getroffen werden können und müssen.
Zur Vorlage 18/604 „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“
I. Maßnahmen aus dem Bereich Lehrerausbildung und Lehrereinstellung
Zu 1. Seiteneinstieg Grundschule mit berufsbegleitendem Lehramtserwerb
Der PhV NRW begrüßt diese Maßnahme als wichtigen Schritt mit lohnenswerter Perspektive für die Lehrkräfte und die Schulen gleichermaßen.
Die Befristung auf fünf Jahre erachten wir im Sinne einer Evaluation bzw. Neubewertung für sinnvoll.
Zu 2. Weitere Einstellungen für Lehrkräfte mit dem Lehramt Gymnasium und Gesamtschule an Grundschulen
Wir betrachten dies als kurzfristige Möglichkeit und begrüßen in diesem Zusammenhang die Befristung auf zwei Jahre. Auch hier sollte dann eine Bewertung der Maßnahme getätigt werden, da zum jetzigen Zeitpunkt nur bedingt vorhersehbar ist, wie die Maßnahmen insgesamt greifen und wie die Personalsituation ab dem Schuljahr 2026/27 folgend aussehen wird.
Zu 4. Ausweitung der Studienanfängerplätze
Diese Maßnahme ist absolut erforderlich, um auch perspektivisch die Lehrerausbildung zu sichern.
Zu 5. Befristetes Angebot eines berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes an Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I für Master of Education-Absolventinnen und Absolventen für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen
Diese Maßnahme ist nachvollziehbar. Wir begrüßen die Befristung, die aus unserer Sicht allerdings zunächst auf drei Jahre befristet werden könnte, um die Lehrerversorgungssituation an den Gymnasien ab 2026/27 mit einbeziehen zu können.
Zu 6. Zusätzlicher selbstständiger Unterricht von Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern
Wie bereits an anderen Stellen kommuniziert, stehen wir dieser Maßnahme sehr kritisch gegenüber. Die Ausbildungssituation mit einem hohen Anteil an bedarfsdeckendem Unterricht (der natürlich auch zur Lehrerversorgung beiträgt), halten wir diese Möglichkeit der freiwilligen Aufstockung für nicht angemessen im Sinne der Ausbildung der LAAs. Die Lehrerversorgungssituation bringt stellenweise auch Schulleitungen in Zwänge, z.B. zur Sicherung von Schülerlaufbahnen, an LAAs heranzutreten mit der Bitte um Aufstockung. Die Abhängigkeitssituation lässt es kaum erwarten, dass ein LAA diese Anfrage verneint. Daher hätten wir uns gewünscht, dass nicht von dieser Maßnahme Gebrauch gemacht worden wäre. Es ist für uns erforderlich, dass neben der Schulleitung auch das ZfsL in den Entscheidungsprozess einbezogen wird.
Zu 7. Erleichterung bei der Anerkennung von Lehramtsqualifikationen aus Drittstaaten
Der PhV NRW sieht diese Maßnahme als nachvollziehbar an.
Zu 8. Öffnung/Erweiterung der Stellen für andere Berufsgruppen
Der PhV NRW stimmt dieser Maßnahme zu.
II. Wertschätzung der Beschäftigten an Schulen und Entlastungen der Lehrkräfte und Schulleitungen
- Anhebung der Einstiegsbesoldung auf A 13
Dieser Aspekt betrifft die S-II-Lehrkräfte nicht, sie wünschen sich daher mehrheitlich eine andere Form der Wertschätzung und spürbare Entlastungen (vgl. Antwort zu 18/1102).S-II-Lehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen fehlt die Anerkennung und Wahrnehmung ihre speziellen Anforderungen und Aufgaben im Zusammenhang mit der Verantwortung für das angestrebte Bildungsziel der Schülerinnen und Schüler, namentlich das Abitur/die allgemeine Hochschulreife.
- Konzeption einer neuen Werbekampagne
Der PhV NRW hat u.a. nach den Erfahrungen mit der Kampagne der Vorgängerregierung Zweifel daran, dass eine Werbekampagne einen entscheidenden Beitrag zur Gewinnung eines angemessenen Bewerberkreises bzw. einer ausreichenden Anzahl an Interessenten für den Lehrerberuf leisten kann.Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Belastungs- und Arbeitssituation der Lehrkräfte eher abschreckend für neuen Nachwuchs ist, dies zeigt auch die letzte Umfrage von Herrn Prof. Dr. Dollase und der Landeselternschaft Gymnasium aus dem Jahr 2022.Vor allem auch die Empfehlungen der SWK und die im Handlungskonzept zur Unterrichtsversorgung vorgesehenen dienstlichen Maßnahmen wirken doch hier eher kontraproduktiv.Natürlich ist dem PhV NRW bewusst, dass die Landesregierung und das Ministerium hier in einer schwierigen Situation stecken, dennoch kann man nicht erwarten, dass die Attraktivität des Lehrerberufes durch eine Werbekampagne aufgewertet werden kann, wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht massiv verbessern und endlich spürbare Entlastungen geschaffen werden. Bildung muss uns noch viel mehr wert sein.
- Verwaltungsunterstützung
Der PhV NRW begrüßt die Schaffung von mehr Verwaltungsunterstützung. Diese darf allerdings nicht auf die Lehrerstellen angerechnet werden, sondern muss zusätzlich budgetiert werden. Ansonsten werden Schulen sich auch zukünftig sehr genau überlegen, ob sie es sich erlauben können, Lehrerstellen zu kapitalisieren. Die Anzahl der zur Verfügung gestellten Stellen muss weiter ausgebaut werden und es muss klare Kriterien für Qualifikationen der Verwaltungsassistenten geben.
- AO-SF-Verfahren verschlanken und vereinfachen
Der PhV NRW begrüßt dieses Vorhaben sehr. Bestenfalls sollten die Verfahren bereits im Laufe der Grundschulzeit abgeschlossen werden können, damit die Ergebnisse bei der Anmeldung an der weiterführenden Schule vorliegen, um im Sinne des Kindes beraten und entscheiden zu können, wie und wo die Schullaufbahn bestmöglich fortgesetzt werden kann.
- Reduzierung der Mindestzahl von Klassenarbeiten in Klasse 10 an allen Schulformen
Der PhV NRW hatte sich intensiv dafür eingesetzt, dass die ZP 10 an den Gymnasien nicht für alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 verpflichtend wieder eingeführt wird, da nur ein sehr geringer Anteil das Gymnasium nach der 10. Klasse verlässt. Wir hätten uns gewünscht, die ZP 10 im Sinne der bayerischen Variante durchführen zu können. Demnach hätten nach der 10. Klasse Schülerinnen und Schüler freiwillig die ZP 10 machen können. Dies wäre im Sinne des gymnasialen Bildungsgangs aus unserer Sicht sinnvoller gewesen. Unsere D/M/E-Lehrkräfte, die natürlich zeitgleich auch noch im Abitur sind und viele Korrekturen und Prüfungen zur gleichen Zeit durchführen müssen, müssen nun im engen Zeitraster auf die ZP 10 vorbereiten und darauf wichtige Unterrichtszeit verwenden. Die Erfahrungen aus den Jahren der ZP 10 an den Gymnasien lassen befürchten, dass die ZP 10 als „Ersatz“ für eine Klassenarbeit nicht im Sinne des gymnasialen Bildungsauftrags positiv zu bewerten sind. Die vermeintliche Entlastung kann daher nur als „kleine“ Entlastung angesehen werden.
III. Dienstliche Maßnahmen
Es sei vorab bemerkt, dass uns natürlich bewusst ist, dass diese Maßnahmen grundsätzlich rechtlich möglich sind und hier an einigen Stellen lediglich Modifizierungen vorgenommen wurden. Dennoch stellt der PhV NRW an dieser Stelle erneut fest, dass die Herausforderungen, denen sich die Landesregierung und das MSB im Zusammenhang mit der Unterrichtsversorgung durch die Verschärfung der Maßnahmen stellt, der Belastungssituation und den besonderen Herausforderungen der Lehrkräfte diametral entgegenstehen. Das sorgt für massiven Widerstand und auch Resignation bei den Lehrkräften.
Zu 1. Abordnungen von Bestandslehrkräften
Der PhV NRW zählt hier auf die im Erlass beschriebenen Priorisierung der „Freiwilligkeit“ und der tatsächlichen Berücksichtigung der persönlichen Belange und schulischen Bedarfe. Jede Abordnung muss auch tatsächlich eine Einzelfallentscheidung sein.
Die Abordnung von bis zu zwei Jahren birgt auch eine Gefahr für die abgebende Schule, da nicht auf kurzfristige Bedarfssituationen der Stammschule reagiert werden kann, die z.B. durch längerfristige Erkrankungen, Schwangerschaften und Wechsel von Vertretungskräften verursacht werden. Dies sorgt für zusätzliche Diskontinuität für Schülerinnen und Schüler im Fachunterricht der abgebenden Schule.
Zu 2. Neueinstellungen an allen Schulformen mit grundsätzlicher Abordnungsmöglichkeit in unterversorgte Regionen/Schulformen
Der PhV NRW hat bislang zu diesem Vorhaben nur mündliche Detailvorstellungen erfahren. Es wäre wichtig, zeitnah konkretisierte Angaben z.B. in Erlassform zu erhalten.
Je nach Ausführung der Abordnung im Rahmen einer Neueinstellung wäre ein Überdenken des Umgangs mit Lehrkräften erforderlich, die bereits seit 2020 in Vorgriffsstellen tätig sind. Ihr Einsatz wäre möglichst im Sinne einer Entlastung, der Stammschulbedarfe und dem Willen der jeweiligen Lehrkräfte ggfs. anzupassen.
Zu 3. Teilzeitbeschäftigung und Antragsruhestand
Die Einschränkung oder gar Versagung der voraussetzungslosen Teilzeit an den Gymnasien und den S-II-Lehrkräften der Gesamtschulen, ist von Lehrkräften an diesen Schulformen mit großer Sorge versehen. An Schulformen mit gymnasialer Oberstufe nutzen die Lehrkräfte oftmals eine Entlastung von nur wenigen Wochenstunden, um ihren Ansprüchen gerecht werden zu können und um sich von Korrekturen zu entlasten. Bereits eine geringe Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung bedeutet oftmals eben eine oder zwei Korrekturen weniger. Der Unterschied zu anderen Schulformen ist der, dass eben in allen Fächern in der Oberstufe auch Klausuren geschrieben und/oder mündliche Prüfungen stattfinden.
Der PhV NRW geht auch in diesem Kontext davon aus, dass Einzelfallprüfungen stattfinden werden. Die Verwehrung bzw. Ablehnung eines geringen Teilzeitwillens, wird systemisch nicht viel bringen. Daher gehen wir davon aus, dass die voraussetzungslose Teilzeit von S-II Lehrkräften weiterhin gewährt werden wird.
Auch der Antragsruhestand darf nicht eingeschränkt werden, hier muss unbedingt eine Einzelfallentscheidung getroffen werden, denn es entsteht durch das Hinauszuschieben zum Ende des Schuljahres eine Gerechtigkeitslücke. So kann eine am 31.07.1960 geborene Lehrkraft mit 63 Jahren zum 01.08.2023 in Pension gehen. Die einen Tag später geborene Person (Geburtsdatum 01.08.1960) müsste ein ganzes Jahr länger arbeiten und könnte somit erst zum 01.08.2024 gehen.
Man kann sowohl bei den Teilzeitanträgen als auch im Falle einer vorzeitigen Zurruhesetzung davon ausgehen, dass die Lehrkräfte gute Gründe dafür haben, wenn sie auf Pension/Rente verzichten.
Wir könnten uns vorstellen, dass bei einer rigiden Umsetzung der Krankenstand an den Schulen steigen wird.
Im Kontext der angestrebten Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs dürften beide Maßnahmen kontraproduktiv sein.
Zu 4. Rückkehr aus Beurlaubung oder Freistellung
Der PhV NRW fürchtet, dass durch die Erweiterung des Einsatzradius von 35 auf bis zu 50 km Elternzeiten länger in Anspruch genommen werden.
Zu 5. Entfristungen
Eine Entfristung von Personen im befristeten Beschäftigungsverhältnis hält der PhV NRW unter den angegebenen Voraussetzungen für die Dauer von zwei Jahren für vertretbar. Es sollten allerdings an Schulen mit gymnasialer Oberstufe vorrangig Personen mit dem zweiten Staatsexamen berücksichtigt werden. Zudem ist die Einbindung von Schulaufsichtsbehörde und Schulleitung aus unserer Sicht eine wichtige Grundvoraussetzung, wie im Handlungskonzept beschrieben.
Sollten weitere Fragen zu den Ausführungen bestehen, stehen wir jederzeit gern zur Verfügung.
Düsseldorf, den 28. Februar 2023
Mit freundlichen Grüßen
gez. Sabine Mistler
– Vorsitzende PhV NRW –