Philologen: KI-generierte Texte lassen sich kaum als solche erkennen – „Viele Lehrkräfte fühlen sich unsicher“
„Das Schulministerium Nordrhein-Westfalen hatte schnell reagiert – und bereits vor zwei Wochen (als erstes Kultusministerium in Deutschland) eine Handreichung für Lehrkräfte herausgegeben, die Unsicherheiten im Umgang mit ChatGPT beseitigen soll. Aus Sicht des Philologenverbandes lässt das Papier allerdings wichtige Fragen offen. Dabei dränge das Thema Künstliche Intelligenz: Es sei in Rekordzeit für den Unterricht relevant geworden.
„Viele Lehrkräfte verwenden ChatGPT und ähnliche Software bereits, auf verbindlichere Regeln, was geht und was sie lieber lassen sollten, warten sie allerdings noch“, sagt Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologenverbands NRW. „Uns ist durchaus bewusst, dass es sich um einen sehr dynamischen Prozess handelt, daher ist es verständlich, dass sich das Ministerium an einigen Stellen nicht festlegen kann. Dennoch fühlen sich viele Lehrkräfte derzeit unsicher.“
Grundsätzlich empfiehlt das Ministerium, dass Schülerinnen und Schüler das Programm im Unterricht nicht mit einem eigenen Account oder der eigenen E-Mail-Adresse nutzen sollen. Angesichts der „aktuellen Sach- und Rechtslage (gerade mit Blick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben)“ werde auch die Verwendung eigener Geräte für Schülerinnen und Schüler nicht empfohlen. Stattdessen erfolgt der allgemeine Hinweis, dass für die Einhaltung des schulischen Datenschutzes die Schulleitung verantwortlich sei. „Hier fehlt eine klare Aussage dazu, wie der Datenschutz unterrichtlich und rechtssicher umgesetzt werden kann“, kritisiert Mistler.
Größte Unsicherheit in der Handreichung ist die Verantwortungszuschreibung an die Lehrerinnen und Lehrer, die durch KI-generierte Texte vor neuen Herausforderungen bei der Leistungsmessung und Benotung stehen. Das heißt, sie müssen in der Praxis entscheiden, ob eine (schriftliche) Fach- und Hausarbeit eigenständig oder mithilfe von ChatGPT & Co. entstanden ist.
„Wir fordern daher schnellstmöglich einen KI-Gipfel mit allen an Schule Beteiligten“
Aus Sicht der Philologen reicht es nicht aus, wie in der Handreichung formuliert, auf „das hohe Maß an professioneller Erfahrung“ zu verweisen, über die Lehrkräfte verfügten. Sie könnten beispielsweise in Unterrichtsgesprächen erkennen, ob eine Arbeit mit unzulässiger Hilfe entstanden sei. KI-generierte Texte lassen sich aber tatsächlich nicht ohne weiteres als solche erkennen, sie erschweren somit das Aufdecken eines möglichen Täuschungsversuchs.
Unklar ist bislang auch, wie der Zugang zu KI-Systemen für alle gewährleistet werden soll, wenn die Nutzung wie angekündigt nur noch gegen eine monatliche Gebühr möglich ist. Geklärt werden müsse, welche Auswirkungen die Nutzung von ChatGPT auf neue, digitale Prüfungsformate und Formen der Zusammenarbeit haben wird. Ferner benötigen Lehrkräfte zeitnah hochwertige Fortbildungen zum Thema KI. „Wir fordern daher schnellstmöglich einen KI-Gipfel mit allen an Schule Beteiligten, um solche Fragen verbindlich klären zu können. Diesem muss ein regelmäßiger und verstetigter Austausch über neue Entwicklungen folgen – vor allem mit den Expertinnen und Experten aus der Schule, sprich Lehrkräften“, sagt Verbandschefin Mistler.
Grundsätzlich begrüßt der Verband der Gymnasial- und Gesamtschullehrerinnen und -lehrer, dass der Umgang mit KI-Systemen nicht reflexhaft restriktiv gehandhabt werde. Aber: „Wir müssen auch künftig eigenständige Leistungen von Schülerinnen und Schülern bewerten können und müssen in dieser Frage ehrlich sein: Unter Umständen muss man die Verwendung von KI-Systemen in bestimmten Situationen untersagen oder einschränken.“
Vor zwei Wochen hatte das nordrhein-westfälische Schulministerium einen Handlungsleitfaden zum „Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen“ veröffentlicht. Zusätzlich bietet QUA-LiS, die landeseigene Qualitäts- und Unterstützungsagentur, einen kostenfreien Online-Kursus an, mit dessen Hilfe Lehrpersonen sich „intensiver mit textgenerierenden KI-Anwendungen auseinandersetzen“ können (News4teachers berichtete). Neben weiterführenden Informationen rund um ChatGPT & Co. finden Lehrkräfte und Seminarausbilder/-innen darin auch Unterrichtsbeispiele für unterschiedliche Fächer und Jahrgangsstufen.
„Wir möchten Sie bitten, sich offen und konstruktiv mit den neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und das Thema aktiv in Ihren beruflichen Kontexten zu thematisieren“, heißt es in einer E-Mail, die das Ministerium am 23. Februar an die Schulen geschickt hat.
Der gesamte Beitrag über KI-generierte Texte in Schulen ist am Freitag, 10. März 2023, bei News4Teachers erschienen.
Pressemitteilung des PhV NRW zum Einsatz von ChatGPT in Schule und Unterricht.