Lehrer: „Können Schüler nicht richtig aufs Abi vorbereiten“

Kategorien: PhV in den MedienVeröffentlicht: 18.01.2025

Die Unzufriedenheit ist groß: Mehr als die Hälfte der Lehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen in NRW hat bereits ernsthaft darüber nachgedacht, zu kündigen. Fast jeder zweite Lehrer würde den Job nicht weiterempfehlen. Das sind die alarmierenden Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Philologenverbandes (PhV). „Die Stimmung an unseren Schulen ist schlecht, die Arbeitsbedingungen sind es ebenfalls, und die Liste der Probleme ist lang“, hält Landeschefin Sabine Mistler fest.

Demnach beantworteten 38 Prozent der Teilnehmer die Frage zum Jobabschied mit Ja, weitere 33 Prozent gaben an, dass sie sich zumindest gelegentlich mit dem Gedanken beschäftigen. Nur knapp ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer hat noch nicht darüber nachgedacht, aufzugeben.

An der Umfrage beteiligten sich um den Jahreswechsel rund 3100 Pädagoginnen und Pädagogen. Die meisten (86 Prozent) waren an Gymnasien beschäftigt, zehn Prozent an Gesamtschulen. Besonders häufig klagten sie über zu viele nicht-pädagogische Aufgaben, zu große Klassen, zu viel Bürokratie und zu viel Arbeit durch die Korrektur von Klassenarbeiten.

Als ein Hauptproblem sehen viele außerdem, dass sie viel mehr arbeiten, als ihr Vertrag es vorsieht. So arbeiten 40 Prozent der Befragten zwischen 41 und 50 Stunden in der Woche, 37 Prozent über 50. Jeder Zehnte kommt auf mehr als 60 Stunden.

Obwohl sie teilweise so viele Überstunden machen, haben viele Lehrer das Gefühl, sowohl ihren eigenen als auch den Ansprüchen der Schüler nicht gerecht zu werden. Die Folge: Die Mehrheit der Gymnasiallehrer (80 Prozent) glaubt, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler nicht mehr richtig auf ihre Zukunft vorbereiten können.

So geht es auch Yves Cloos. Der 38-Jährige ist Bezirksvorsitzender des PhV und Gymnasiallehrer in Herne. „Wir wollen allen gerecht werden, aber das ist kaum noch machbar“, sagt er. Das liegt laut Cloos vor allem daran, dass Lehrkräfte zu viel Zeit mit Aufgaben verbringen, die mit dem Unterrichten an sich wenig zu tun haben.

„Wir haben sehr viele Konferenzen. Heutzutage wird auch darauf geachtet, dass jeder Schritt protokolliert wird. Das heißt für uns zum Beispiel, dass wir nicht nur beraten, sondern, alles auch schriftlich festhalten. Und wir arbeiten sehr viel mehr konzeptionell als früher“, erzählt Cloos.

Eine weitere Herausforderung: Die Schülerschaft an Gymnasien sei mittlerweile deutlich heterogener, die Schere zwischen den besonders leistungsstarken und eher leistungsschwachen Kindern und Jugendlichen wachse. „Wir haben viele Schülerinnen und Schüler mit individuellen Herausforderungen. Deshalb soll der Unterricht noch individueller gestaltet werden. Dabei kommt aber oft das Fachliche zu kurz.“

Er fordert zum einen kleinere Klassen und zum anderen mehr Unterstützung bei bürokratischen Aufgaben. „Es wäre sehr gut, wenn wir Schulverwaltungsassistenten hätten, die helfen, Projektwochen, Klassenfahrten oder Schulfeste zu organisieren. Als Lehrkraft kann ich gerne das pädagogische Konzept für die Klassenfahrt erarbeiten, aber muss nicht selbst nach dem günstigsten Reiseanbieter suchen.“

Er versteht die Kolleginnen und Kollegen, denen mittlerweile alles zu viel wird – und die aus Frust kündigen oder durch ein Burnout in die Zwangspause gedrängt werden. „Aber ich habe noch nicht aufgegeben“, sagt Cloos. „Kündigen ist für mich gerade keine Option.“

So reagiert die NRW-Schulministerin

Schulministerin Dorothee Feller (CDU) verweist in ihrer Reaktion auf die Umfrage des Philologenverbandes auf die bereits angestoßenen Maßnahmen, um Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten. „Vieles von dem, was wir angestoßen haben, wirkt nicht von heute auf morgen – die Verbesserung der Situation an den Schulen ist eine Daueraufgabe“, so Feller laut Mitteilung des Schulministeriums.

Bei ihren Schulbesuchen stelle die Ministerin immer die Frage, „wie wir die Belastungen für Schulleitungen und Lehrkräfte reduzieren können. Wir nehmen alle Anregungen mit und prüfen, was davon umgesetzt werden kann.“

Der gesamte Beitrag ist am Samstag, 18. Januar 2025, in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung erschienen.

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