Stellungnahme zum FDP-Antrag mit der Drucksache 18/7761: “Mehr Lust auf Leistung in der Schule!”

Kategorien: StellungnahmeVeröffentlicht: 03.06.2024

Mehr Lust auf Leistung in der Schule!
Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/7761

Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung
am 11. Juni 2024

Stellungnahme des Philologenverbandes
Nordrhein-Westfalen

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident Kuper,

vielen Dank für die Einladung zur Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Schule und Bildung zum Antrag der FDP-Fraktion mit der Drucksache 18/7761: „Mehr Lust auf Leistung in der Schule!“ und der Möglichkeit einer differenzierten schriftlichen Stellungnahme. In diesem Zusammenhang möchten wir unsere Positionen zu diesem wichtigen Thema darlegen.

Lust auf Leistung:

Der Philologenverband NRW (PhV NRW) steht für ein begabungs- und leistungsorientiertes vielgliedriges Schulsystem mit differenzierten Bildungsabschlüssen. Den Trend, Leistungskriterien bei Schulabschlüssen und Sportveranstaltungen im deutschen Bildungssystem zu nivellieren, finden wir bedenklich. Die Vergabe von Schulnoten wird infrage gestellt, Wettbewerbe wie die Bundesjugendspiele werden vernachlässigt. Der reflektierte Umgang mit der von Schülerinnen und Schülern erbrachten Leistung zusammen mit den Lehrkräften wird immer weniger eingeübt. Wir plädieren dafür, dass Bildung wieder Lust auf Leistung entfacht. Leistung ist positiv besetzt, wenn sie zugleich Neugier, Wissensdurst und Kreativität weckt. Das sieht offenbar auch eine deutliche Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger genauso wie der PhV NRW. Wir fordern in unserem aktuellen Programm „Wofür wir stehen[1] daher einen ehrlichen Umgang mit den Fähigkeiten, Neigungen und Talenten von Schülerinnen und Schülern. Die Differenzierung nach Leistungsfähigkeit muss dabei aufrecht erhalten werden bei gleichzeitig verbesserter Durchlässigkeit in beide Richtungen zwischen den Schulformen.[2]

Individuelle Förderung und Potenzialentfaltung:

Jeder Schüler und jede Schülerin sollte die Möglichkeit haben, seine oder ihre Talente zu entdecken und das volle Potenzial zu entfalten. Bildung muss im Sinne eines erfolgreichen Abschlusses vom Kind aus gedacht werden. Schulen, insbesondere die Förderschulen, müssen individuelle Förderung bieten können und die Stärken der Lernenden gezielt unterstützen. Daher sehen wir eine stärkere Verbindlichkeit von Grundschulgutachten als ein geeignetes Instrument an. Das Leistungsprinzip sollte dabei nicht als Druckmittel, sondern als Ansporn verstanden werden. Eine stärkere Vergleichbarkeit von Leistung und Abschlüssen wird dabei als bewährtes Instrument gesehen, wie auch Klassenwiederholungen bei nicht ausreichenden Leistungen oder ein Schulwechsel. Das differenzierte Schulsystem bietet zur Förderung und Potenzialentfaltung dabei die nachweislich größere Leistungsfähigkeit (vgl. BA 4/21[3], S. 8-10, Leistungsdifferenzierung und Integration) im Vergleich mit dem integrierten Schulsystem. Ein Schulwechsel oder eine Klassenwiederholung muss dabei selbstverständlich eng von den Lehrerinnen und Lehrern und in Zusammenarbeit mit Eltern und Schülerinnen und Schülern begleitet werden. Abseits jeglicher Ideologien müssen hier die Kinder und Jugendlichen und deren Lust am Lernen im Vordergrund stehen. Die Verwertbarkeit von Abschlüssen, gerade auch solcher, die nicht zur Aufnahme eines Studiums berechtigen, muss dabei wieder deutlich gestärkt werden. Dazu zählt auch die gesellschaftliche Wertschätzung aller Schulabschlüsse, die für die Akzeptanz eines begabungsgerechten Schulsystems wichtig ist.[4]

Vorbereitung auf ein selbstbestimmtes Leben:

Schule muss bestmöglich auf ein selbstbestimmtes Leben vorbereiten. Die heutigen Schülerinnen und Schüler sind die zukünftigen Entscheiderinnen und Entscheider unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Daher sollten wir ihnen die bestmögliche Bildung zukommen lassen, um ihnen das Rüstzeug mitzugeben, den Herausforderungen in unserer Gesellschaft gerecht zu werden. Dazu gehört auch unbedingt, die Elternhäuser mehr in die Pflicht zu nehmen, die in enger Verzahnung mit den Lehrerinnen und Lehrern demokratische Prozesse einüben und vorleben müssen.

Transparenz und objektive Leistungsbewertung:

Wir setzen uns für eine transparente und objektive Leistungsbewertung ein. Schulnoten sind ein wichtiges Instrument, um den Lernfortschritt vergleichbar zu messen und individuelle Stärken, aber auch Schwächen, zu erkennen. Dazu braucht es gut kommunizierte und transparente Vorgaben, um Lehrkräften eine objektive Bewertung zu erleichtern. Leistungsbewertungen, und damit auch Noten, müssen immer auf einer nachvollziehbaren Basis für Schülerinnen und Schüler, die Eltern, aber auch in einem rechtssicheren Rahmen für die Lehrerinnen und Lehrer, stattfinden.

Vergleichbarkeit von Abschlüssen

Es gibt in NRW viele Wege zum Abitur, und der Anteil von Studienberechtigten, die zuvor kein Gymnasium besuchten, ist in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden. Das ist einerseits erfreulich, andererseits darf dabei aber auch die Vergleichbarkeit von Leistung nicht außer Acht gelassen werden. Der PhV fordert daher die Sicherstellung der qualitativen Vergleichbarkeit in den gymnasialen Oberstufen und des Abiturs an allen Schulformen der differenzierten und integrierten Systeme. Der Antrag fordert zu Recht die bundesweite Vergleichbarkeit von Bewertungen und Abschlüssen. Zugleich müsste jedoch auch die Vergleichbarkeit zwischen den zum Abitur führenden Schulformen innerhalb NRWs stärker in den Blick genommen werden. Insgesamt begrüßen wir den FDP-Antrag, der die Bedeutung des Leistungsprinzips in der Schule hervorhebt. Wir sind davon überzeugt, dass eine ausgewogene Balance zwischen individueller Förderung und Ansporn zur Leistung entscheidend für eine erfolgreiche Bildungskarriere ist.

Die im Antrag geforderten Leistungsanreize für Lehrkräfte sind im Grundsatz zu begrüßen. Die Hinweise zu einer stärker leistungsorientierten Bezahlung bleiben allerdings im Vagen. Um diese umzusetzen, bedarf es einer rechtlich abgesicherten Feststellung von Eignungs-, bzw. Leistungsvorsprüngen.

Gleichzeitig möchten wir vor der möglicherweise hemmenden Wirkung von Bewerbungsverfahren und Eignungsprüfungen warnen, die Studieninteressierte vom Studium des Lehramtes abhalten könnte. Aus unserer Sicht haben sich die in der Lehrerausbildung vorgesehenen Eignungs- und Orientierungspraktika bewährt, so dass wir an dieser Stelle keinen Handlungsbedarf sehen.  Bei Seiteneinsteigenden wäre eine Eignungsprüfung mit Hinblick auf die Anforderungen an den Lehrberuf hingegen begrüßenswert.

Die im Antrag vorgelegte Beschreibung des Zustands unseres Schulsystems vernachlässigt aus unserer Sicht einen wesentlichen Aspekt: die Belastungssituation der Lehrkräfte. Völlig zu Recht konstatieren die Verfasser, dass es ohne motivierte Lehrkräfte keinen guten Unterricht geben kann (S. 4). Für guten Unterricht bedarf es aber auch angemessener, zumutbarer Rahmenbedingungen. Lehrkräfte in NRW haben eine im Bundesvergleich überdurchschnittlich hohe Unterrichtsverpflichtung. Es fehlen ausreichende Steuerungsmöglichkeiten zum Ausgleich von besonderen unterrichtlichen Belastungen, (z. B. Korrekturen in der gymnasialen Oberstufe). Um beste Bildung zu ermöglichen, bedarf es eines Abbaus von administrativen Tätigkeiten, so dass Lehrkräfte sich auf das pädagogische Kerngeschäft konzentrieren können.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Mistler
Vorsitzende


[1] Vgl. https://www.prwahl.de/wofuer-wir-stehen
[2] Vgl. https://www.prwahl.de/wofuer-wir-stehen/bildung-vom-kind-aus-denken-erfolgreiche-wege-zum-abschluss
[3] Vgl. https://phv-nrw.de/leistungen-service/bildung-aktuell/#flipbook-df_3000/9/
[4] Vgl. https://www.prwahl.de/wofuer-wir-stehen/vielgliedrigkeit-staerken-einheitsschule-verhindern