Umfrage zum Abitur 2024 / ZP10 / Abi-Reform

Kategorien: MitgliederinformationVeröffentlicht: 13.06.2024

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben Sie vor wenigen Wochen nach Ihren Einschätzungen zum Anspruchsniveau der diesjährigen Abituraufgaben befragt – mehr als 1.640 von Ihnen haben sich an unserer Umfrage beteiligt. Für die rege Teilnahme (Rekord!) in diesen stressigen Zeiten danken wir Ihnen herzlich. Aus aktuellen Gründen haben wir in diesem Jahr auch nach Ihrer Meinung zu einer möglichen Einführung eines fünften Abiturfachs und nach der Sinnhaftigkeit der Zentralen Prüfungen in der 10. Klasse (ZP 10) des Gymnasiums gefragt. Dazu später mehr. Wir werden bis nach den Ferien eine Detailauswertung vorgenommen haben, die in der Bildung aktuell, einer weiteren Mitgliederinfo und auf unserer Website veröffentlichen erscheint. Vor allem werden wir diese Ergebnisse, wie gewohnt, mit dem MSB austauschen.

Grundsätzliche Aussagen zum Abitur

  • Der durchschnittliche Schwierigkeitsgrad der Abituraufgaben wird insgesamt mit einem Wert von 5,6 taxiert, wobei 5 einen mittleren, angemessenen Schwierigkeitsgrad bezeichnet. Die Aufgaben waren also im Durchschnitt angemessen.
  • Die teilweise Verlängerung der Klausurdauer halten 51% der Befragten für angemessen und fast ebenso viele (49%) für nicht angemessen.
  • 82% der von uns Befragten haben keine Änderungswünsche bei den Abiturvorgaben.
  • Dreiviertel von Ihnen (76%) sehen keine Notwendigkeit, die Aufgabenauswahl zu verändern.
  • 42,8% mahnen mehr Sorgfalt bei der Aufgabenstellung an (Umfang, Unklarheiten und fachliche Unstimmigkeiten).

Zu den einzelnen Fächern

  • Die Sozialwissenschaften, Französisch und Informatik (LK) wurden als etwas schwieriger als der Durchschnitt eingeschätzt.
  • In den Fächern Physik und Erdkunde, in denen im LK im letzten Jahr kein gymnasiales Niveau erreicht wurde, waren die Aufgaben in diesem Jahr angemessen.
  • Im Fach Deutsch wird die Aufgabe zum materialgestützten Schreiben als problematisch eingeschätzt wegen des geringen Anspruchs und der Frage der Wortzahl.
  • In Mathematik werden, wie im vorigen Jahr, die Vorgaben zur Punkteverteilung bei den einzelnen Aufgaben kritisiert, die eine differenzierte Beurteilung unmöglich machen (GK und LK), und die sprachlichen Hürden sowie die Verwendung der Operatoren und der hohe Materialumfang.
  • In Erdkunde (LK) wird auf die ungewöhnliche Themenwahl im Vergleich zu den Vorjahren hingewiesen.

Zur möglichen Einführung eines fünften Abiturfachs

Die vom schwarz-grünen Kabinett beschlossene Einführung eines fünften Abiturfachs lehnen 64% der Befragten ab, nur 22% sind dafür und 13% sind unentschieden. In den Kommentaren wird auf die gemischten Erfahrungen in Hessen und Berlin hingewiesen. Probleme werden im Zusammenhang mit KI gesehen, in einer größeren Belastung für die Kolleginnen und Kollegen und in der Organisation der Prüfungen. Ein Mehrwert wird vor allem im Hinblick auf das Studium festgestellt. Manche schlagen eine Präsentationsprüfung nicht als zusätzliches Format vor, sondern als Ersatz für das 3. oder 4. Fach und auch unter Wegfall der Facharbeit.

Zur ZP 10

Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden, nämlich 55 Prozent, erkennen keinen Mehrwert in der ZP 10, ein knappes Viertel (24%) dagegen sieht ihn schon. Kritisiert wird von den Kolleginnen und Kollegen vor allem die „Materialschlacht“ samt bürokratischem Aufwand, die Mehrbelastung durch die enge Terminierung, die Zweitkorrekturen sowie das geringe Anforderungsniveau der Prüfungen. Für die Schulform Gymnasium schätzen die meisten die ZP 10 nicht als sinnvoll ein, da nur etwa 6,5% der Jugendlichen das Gymnasium nach der 10. Klasse verlassen. Von wenigen Lehrkräften wird die ZP 10 als Vorbereitung für die Oberstufe begrüßt.

Unsere Forderungen

ZP 10: Für die Schulform Gymnasium setzen wir dahinter ein großes Fragezeichen. An den Gymnasien sollte die ZP 10 auf freiwilliger Basis geschrieben werden können. Entweder zeitgleich mit den anderen Schulformen der Sek I und den Gesamtschulen nach Feststellung der Vornote – wenn danach absehbar ist, dass der Mittlere Abschluss gefährdet ist. In jedem Fall sollte sie gymnasiale Standards erfüllen und sollten bezogen auf den Aufwand intensiv überprüft werden.

Fünftes Fach: Wir haben große Zweifel, ob über neue, vornehmlich digitale Prüfungsformate, die dezentral an den Schulen vor Ort durchgeführt werden, tatsächlich eine größere bundesweite Vergleichbarkeit beim Abitur erreicht wird. Es muss sichergestellt werden, dass die curriculare Verbindlichkeit gegeben und der gymnasiale Anspruchs- und Prüfungsstandard gesichert sind. Es darf zu keinem zeitlichen (Mehr-)Aufwand für die Lehrkräfte kommen.

Herzliche Grüße

Ihre
Sabine Mistler

PHILOLOGENVERBAND
Nordrhein-Westfalen