Philologen befürchten weiterwachsenden Lehrkräftemangel
„Die Zahl der Studierenden in Nordhein-Westfalen ist laut einer aktuellen Statistik um 4,4 Prozent gesunken – ein Einbruch wie seit knapp 20 Jahren nicht. In den Naturwissenschaften ist der Rückgang besonders dramatisch. Das betrifft automatisch auch den Lehrkräfte-Nachwuchs. Der Philologenverband fordert deshalb: „Wir müssen Lehrermangel nachhaltig beheben.“ Gemeint ist die Politik.
Laut Statistischem Landesamt IT.NRW ist die Zahl der Studierenden in NRW zum Wintersemester 2023/24 um 4,4 Prozent gesunken. Demnach waren 710.019 Studierende eingeschrieben, rund 32.500 weniger als im vorigen Wintersemester – laut IT.NRW der stärkste Rückgang seit fast 20 Jahren.
Besonders gebeutelt sind die Naturwissenschaften: Das Fach Physik hat ein Minus von 23,3 Prozent zu verzeichnen, es folgen Mathematik (–15,2 Prozent) und Chemie (–13,8 Prozent). In der Informatik fällt die Abnahme mit 6,1 Prozent vergleichsweise moderat aus; Germanistik/Deutsch verliert mit minus 7,4 Prozent deutlich, Anglistik/Englisch hingegen mit -0,1 Prozent kaum. Summiert auf die wichtigsten Fächergruppen ging die Zahl der Studierenden in Mathematik/Naturwissenschaften um 10,3 Prozent zurück, in den Geisteswissenschaften um 8,2 Prozent.
„Wir sehen den Rückgang der Studierendenzahlen, besonders in den Naturwissenschaften, mit großer Sorge“, sagt die PhV-NRW-Vorsitzende Sabine Mistler. Schon jetzt sei absehbar, dass nach dem Ausbau von G9 im Schuljahr 2026/27 an vielen Gymnasien fachspezifisch Lehrkräfte fehlten. Eine Entwicklung, die sich noch einmal deutlich verschärften könnte.
„Weniger Absolventinnen und Absolventen insgesamt bedeuten automatisch weniger junge Menschen, die auf Lehramt studieren und dann ein Referendariat beginnen, um Lehrerin oder Lehrer zu werden. Angesichts des dramatischen Lehrkräftemangels können wir uns diese Entwicklung keinesfalls leisten. Nur durch attraktive Bedingungen im Schuldienst, der auch die Bedürfnisse des Nachwuchses im Blick hat, werden die Studierendenzahlen wieder steigen.“ Kurz: „Das Lehramt muss für junge Leute wieder attraktiver werden.“
Zu einer echten Attraktivitätssteigerung gehören aus Sicht des Philologenverbandes unter anderem:
- Entlastung der Lehrkräfte von bürokratischen Aufgaben
- Zeit für pädagogische Arbeit und guten Unterricht,
- Teilzeit-Möglichkeiten erhalten und ausbauen,
- gut ausgestattete Schulen und Schulgebäude,
- Vermeidung wunschortferner Versetzungen bzw. deren klare zeitliche Begrenzung,
- verlässliche Aufstiegschancen durch Ausschöpfung der Beförderungsstellen (vor allem A15).
Zwar ist die Zahl der der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter im Vorbereitungsdienst laut NRW-Schulministerium zum 1. Mai 2024 um sieben Prozent gestiegen, dennoch ist fraglich, wie viele von Ihnen am Ende tatsächlich ihren Schuldienst antreten. Laut einer Studie des Stifterverbandes aus dem vorigen Jahr liegt die Abbruchquote im Lehramt bei 46 Prozent. Fast die Hälfte aller Referendarinnen und Referendare biegt also während oder nach der praktischen Ausbildung in eine andere berufliche Richtung ab.
Auch die Zahl von derzeit (Stand Juni 2024) 6.000 unbesetzten Stellen in NRW gibt keinen Anlass zur Entwarnung. „Wir sehen zwar, dass die Landesregierung das Problem des Lehrermangels ernst nimmt, aber alle Bemühungen werden vergeblich sein, wenn die Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer sich nicht grundlegend und nachhaltig verbessern“, sagt Sabine Mistler. (mit Material der dpa)
Der gesamte Beitrag ist am Samstag, 10. August 2024, im Online-Portal News4Teachers erschienen.