Oberstufenreform: Anmerkungen des PhV
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit Schulmail vom 17. Juni 2025 informiert das Schulministerium über den aktuellen Sachstand zur Weiterentwicklung bzw. Reform der gymnasialen Oberstufe in NRW sowie zum weiteren Vorgehen. Zum Sachstand nehmen wir im Folgenden kurz Stellung.
Zeitliche Verschiebung der Reform der gymnasialen Oberstufe
Die Reform der gymnasialen Oberstufe wird um ein Jahr auf das Schuljahr 2027/28 verschoben und damit entspricht das MSB einer unserer Forderungen. Wir begrüßen diese Entscheidung als Bedingung für eine qualitätsvolle Umsetzung dieses Großprojekts, damit alle am Schulbetrieb beteiligten Gruppen ausreichend eingebunden werden können und damit Lehrkräften die Grundlage für eine sachgerechte Beratung und Begleitung der Schülerinnen und Schüler ermöglicht werden kann.
Bewertung der Erprobungselemente
Das MSB regt an, Neuerungen wie Projektkurse nach neuem Muster, gleichwertige komplexe Leistungsnachweise sowie „neue“ Präsentationsprüfungen vorab zu erproben. Der Verband hält dies für sinnvoll, kritisiert jedoch das Fehlen wichtiger konkreter Materialien. Lehrkräfte benötigen verbindliche Grundlagen zu einer gelingenden Erprobung und sollten nicht die Arbeit für die QUA-LiS leisten.
Zu Beginn des Schuljahres 2025/2026 erwarten wir daher:
– Mustercurricula für Projektkursthemen nach neuem Modell,
– Konkretisierung der gleichwertigen komplexen Leistungsnachweise gemäß
Kernlehrplänen für die einzelnen Fächer,
– Veröffentlichung des angekündigten kriterialen Bewertungsrasters für Präsentationen.
Dazu benötigen die Schulen bis zum Schuljahresbeginn 2025/26 eine umfassende Informationslage, da Kurslehrkräfte verpflichtet sind, u.a. über die Art der geforderten Leistungsnachweise in jedem Kurs im Bereich der sonstigen Mitarbeit zu informieren. Präsentationen können ebenso wenig zielführend in die Sonstige Mitarbeit einbezogen werden, wenn das kriterielle Bewertungsraster und damit die Zielrichtung der Prüfungsformates nicht bekannt sind.
Organisatorische Herausforderungen
Präsentationen stellen organisatorisch eine Herausforderung dar, wenn man die durchschnittlichen Kursgrößen in der Oberstufe bedenkt. Es darf dadurch weder die Präsenzzeit für Lehrkräfte noch für Schülerinnen und Schüler ausgeweitet werden.
Neuprogrammierung digitales Tool – LuPO
Die Neuprogrammierung des Laufbahn- und Beratungstools als browserbasierte Anwendung mit Kompatibilität zu allen Betriebssystemen begrüßen wir. Wichtig ist die rechtzeitige Bereitstellung (bis zu Beginn des Schuljahrs 2026/27) zur Vorbereitung der Beratungslehrkräfte der Gymnasialen Oberstufe.
Mehr Flexibilität für Schulen
Die Abiturprüfung im 5. Fach kann statt ausschließlich im Projektkurs nun auch an einen Grundkurs angebunden werden. Daraus resultiert, dass Schülerinnen und Schüler einen Projektkurs mit einem Referenzfach belegen können, welches zugleich eines der ersten vier Abiturfächer ist. Die Prüfung im 5. Fach muss dann entsprechend in einem weiteren Grundkursfach abgelegt werden (Grundsatz: Abiturprüfung in fünf unterschiedlichen Fächern). Bei der Festlegung des Projektkursangebots ergibt sich dadurch für die Schulen eine größere Flexibilität. Wichtig ist, dass durch diese erweiterte Möglichkeit keine Zusatzbelastung für Grundkurslehrkräfte entsteht, wie beispielsweise durch die zu erstellenden Produkte für die Präsentationsprüfung im 5. Fach.
Eine weitere sinnvolle Anpassung kann die in Aussicht gestellte Schaffung der Möglichkeit sein, im Rahmen der verpflichtenden Projektkurse nur ein Referenzfach anzubieten, statt einer verbindlichen Anbindung an zwei oder mehr Referenzfächer, wie ursprünglich gedacht.
Einheitliche Aufgaben und Bewertung
Grundsätzlich ist das Ansinnen einer einheitlichen Aufgabenstellung im 5. Fach als sogenannte „Passepartoutaufgabe“ begrüßenswert. Dennoch ist sicherzustellen, dass der grundsätzliche fachliche Anspruch durch gewisse Vorbereitungsmöglichkeiten der Präsentationsprüfung gegeben ist. An dieser Stelle melden wir nach jetzigem Stand Zweifel an (vgl. Linksammlung, Präsentation, S.15). Wir begrüßen das kriterielle Bewertungsraster zu Bewertung der Teilprodukte sowie der Präsentation im 5. Abiturfach sehr. Hierdurch wird Rechtssicherheit für Lehrkräfte und eine größere Vergleichbarkeit für Schülerleistungen geschaffen.
Vereinheitlichung der Klausurzeiten
Die zentrale Festlegung der Klausurzeiten ersetzt die aktuell gültigen Bandbreiten. Die Kürzung der Klausurzeiten schafft in jedem Fall Entlastungen für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler. Zwar wird dadurch eine weitere Verbandsforderung erfüllt, doch ist die Angemessenheit der Klausurdauer insbesondere in der Q2.1 aus Schülerinnen- und Schülersicht zu hinterfragen, da die Dauer der (Vor-)Abiturklausuren einen recht großen Sprung bedeutet (Bsp.: GK E: 135 in Q2.1 zu 285 Minuten in der (Vor-)Abiturklausur). Auf Dauer muss die Klausurzeit in den Abiturprüfungen unbedingt reduziert werden. An dieser Stelle bedarf es eines Einwirkens des MSB auf die KMK.
Entlastung der Lehrkräfte
Das Thema Entlastung ist bislang nicht ausreichend berücksichtigt. Die Maßnahmen wie die reduzierte Klausurzeit und der Wegfall der Facharbeit sind erste Schritte. Die Ersetzung von Klausuren durch gleichwertige komplexe alternative Leistungsnachweise könnte sogar neue Belastungen schaffen – wie schon bei Kommunikationsprüfungen. Der Entfall verpflichtender Nachprüfungen bei Abweichungen der ZP10 stellen für die Gymnasien kaum eine Entlastung dar, da diese nur äußerst selten auftreten. Hier wären der Wegfall der Zweitkorrektur sowie eine Optimierung der Bewertungsbürokratie bei der ZP10 tatsächliche Entlastungen. Der ausgelobte Verzicht auf vierstündige Leistungs- und zweistündige Grundkurse verhindert lediglich eine Verschlechterung durch Beibehaltung des Ist-Standes, statt eine Entlastung zu bringen.
Kosten- und Ressourcenneutralität als Hauptkritikpunkt
Die Reform soll kostenneutral erfolgen. Dies verhindert nicht nur eine angemessene Absenkung der dauerhaft zu hohen Belastung der Lehrkräfte, sondern wird durchaus zu organisatorischen Problemen bei vielen Gymnasien und Gesamtschulen führen. Die zusätzlich hinzukommenden verpflichtenden Projektkurse sind nicht durch eine Änderung der Schüler-Lehrer-Relation in der Q2 hinterlegt und müssen demnach durch Einsparen anderer Kurse generiert werden. Dies kann eine Verschlechterung des Angebotes an Kursen führen und damit die Attraktivität betroffener Schulen senken. Auch die zukünftig geplanten vier statt zwei Vertiefungskurse sind derzeit nicht durch Lehrerstellen(-anteile) hinterlegt. Daher fordern wir eine Absenkung der Schüler-Lehrer-Relation, mindestens für die Q 2.
Umwidmung Instrumental- und Vokalpraxiskurse in Vertiefungskurse
Die Umwandlung von Instrumental- und Vokalpraxiskursen in Vertiefungskurse wird an einigen Schulen die Orchester- und Bandarbeit nachhaltig beeinträchtigen und auch zu Qualitätseinbußen führen.
Links zum Weiterlesen:
Schulmail:
https://www.schulministerium.nrw/17062025-weiterentwicklung-der-gost-sachstand-und-naechste-schritte
Präsentation: https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/250617_anlage_zur_schulmail_ppp_weiterentwicklung_gost.pdf
PhV-Pressemitteilung:
https://phv-nrw.de/2025/06/18/oberstufe/
PhV-Stellungnahme zum Eckpunktepapier:
https://phv-nrw.de/2024/06/03/stellungnahme-zum-entwurf-des-eckpunktepapiers-fuer-die-weiterentwicklung-der-gymnasialen-oberstufe-in-nordrhein-westfalen-auf-grundlage-der-verbaendegespraeche-des-jahres-2023/
Wir wünschen Ihnen einen guten Endspurt im Schuljahr.
Herzliche Grüße aus Düsseldorf
Ihre Sabine Mistler
Landesvorsitzende
PHILOLOGENVERBAND
Nordrhein-Westfalen