Stellungnahme des PhV NRW zum Entwurf eines „Gesetz(es) zur Vermeidung von Diskriminierung in Nordrhein-Westfalen

Kategorien: StellungnahmeVeröffentlicht: 18.11.2025

STELLUNGNAHME
des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen
(PhV NRW)

zum Entwurf eines „Gesetz(es) zur Vermeidung von
Diskriminierung in Nordrhein-Westfalen
(Landesantidiskriminierungsgesetz Nordrhein-Westfalen,
LADG NRW)“

Schriftliche Anhörung gem. § 35 Abs. 1 und Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen (GGO)

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit bedanken wir uns für die Möglichkeit der Stellungnahme zum vorgegebenen Entwurf.

Zum LADG NRW

Blickwinkel: Schulbereich

Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Vermeidung von Diskriminierung im öffentlichen Bereich des Landes NRW führt neue Instrumente zur Verhaltenssteuerung ein, auch in den Schulbereich – obgleich für diesen Bereich kein zusätzlicher Regelungsbedarf feststellbar ist, da geltendes Schulrecht (§ 2 SchulG NRW) Schulen bzw. Lehrkräfte zur Achtung der Menschenwürde, zur Vermeidung jeder Form von Benachteiligung

sowie zur Förderung von Toleranz und Chancengleichheit verpflichtet. Gleiches gilt für das Dienstrecht der beamteten Lehrkräfte, das zum Beispiel über § 33 BeamtStG Loyalität, Gesetzestreue verlangt. Gemäß § 34 Abs. 1 BeamtStG besteht eine Wohlverhaltenspflicht, die auch ein achtungsvolles Verhalten gegenüber Bürgerinnen und Bürgern vorschreibt. Diese Normen begründen eine klare berufsethische Verpflichtung, die das Lehrerhandeln seit jeher prägt – und die bislang nicht als defizitär identifiziert wurde. Ein zusätzlicher Gesetzesrahmen für den Schulbereich erscheint daher weder erforderlich noch begründet.

Vielmehr erweist sich der Gesetzentwurf als Ausdruck eines Paradigmenwechsels: Der Übergang von innerer Steuerung – getragen von fachlicher Professionalität, Amtsethos und pädagogischem Verantwortungsbewusstsein – hin zu einer verstärkten äußeren Kontrolle und Verhaltensregulierung der Lehrkräfte. Es fügt sich damit in die Entwicklung datengestützter Schul- und Unterrichtsentwicklung: Evaluationspflichten, Feedbacksysteme und systematische Zielvereinbarungen formen perspektivisch ein umfassendes Raster für Steuerung von Lehrkräften.

Das aber ist im Schulalltag ohnehin kaum umsetzbar und erzeugt eine bisher ungewohnte Form normativer Steuerung schulischer Prozesse.

Diese Entwicklung steht damit in einem erkennbaren Spannungsverhältnis zum Berufsbeamtentum. Der Beamte als gesetzlich gebundene, innerlich motivierte und mit seinem jeweiligen Amt bekleidete Person sieht sich zunehmend in die Rolle einer steuerbaren Funktionseinheit gedrängt, deren Verhalten durch neue Rechenschaftspflichten kontrolliert werden soll.

Hinzu treten erhebliche Umsetzungsrisiken im schulischen Alltag: Die erweiterte Rechenschaftspflicht gegenüber „Vielfaltssensibilität“, verbunden mit unklaren Begriffen und hohen Anpassungserwartungen, schafft perspektivisch ein Klima der Unsicherheit. Lehrkräfte geraten in eine dauerhafte Prüfpflicht – etwa hinsichtlich ihrer Unterrichtsmaterialien, Methodik oder Sprache, da sich eigentlich niemand durch Lehrerhandeln in all seinen Facetten zurückgesetzt fühlen darf. Die daraus resultierende Verhaltensvorsicht wirkt innovationshemmend und pädagogisch kontraproduktiv und kann insbesondere in Verbindung mit digitalen Hilfsmitteln, die zur Absicherung des eigenen Handelns sehr viel großzügiger hinzugezogen werden dürften, zu einem Ende professionellen Ermessens im Schulalltag führen.

Ein LADG NRW ist im schulischen Kontext ein gesetzgeberischer Ein- wenn nicht Übergriff in ein bereits umfassend geregeltes Feld. Es ersetzt Vertrauen durch Kontrolle, Professionalität durch Rechtfertigungspflicht und gefährdet damit die Grundidee der verbeamteten Lehrkraft. In seiner gegenwärtigen Fassung ist es für den Schulbereich nicht nur entbehrlich, sondern kontraproduktiv. Wir lehnen daher diesen Gesetzentwurf ausdrücklich ab.

Düsseldorf, den 17. November 2025

Mit freundlichen Grüßen

gez. Sabine Mistler
(Vorsitzende PhV NRW)

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