Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Abschaffung der verpflichtenden Abweichungsprüfung im Abitur und zur Änderung von Ausbildungs- und Prüfungsordnungen

Kategorien: Aktuelles, StellungnahmeVeröffentlicht: 31.01.2020

Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Philologen-Verbandes zum Entwurf einer Verordnung zur Abschaffung der verpflichtenden Abweichungsprüfung im Abitur und zur Änderung von Ausbildungs- und Prüfungsordnungen gem. § 52 Schulgesetz NRW

Einleitung der Verbändebeteiligung gem. § 77 Schulgesetz NRW

Aktenzeichen: 222-2.02.02.02-151969

Sehr geehrter Herr Dr. Schrapper,

vielen Dank für die Möglichkeit, zu dem o.a. Verordnungsentwurf zur Abschaffung der verpflichtenden Abweichungsprüfung im Abitur Stellung nehmen zu können.

Zu Nr. 1 (a) § 6 Abs. 1 APO-GOSt
Der PhV NW lehnt diese Anpassung ab. Es ist aus unserer Sicht nicht vertretbar und auch dem Anliegen des Anspruchs von Qualität von Unterricht diametral entgegenstehend, selbstgesteuertes Lernen in der Oberstufe (hier: äquivalent zu Lernzeiten), in eine Kategorie mit ersatzlosem Unterricht, also Maßnahmen ohne Lehrkraft, gleichzustellen, wie sie in der Unterrichtsausfallstatistik dargestellt wird. Die vorgesehene Wochenstundenzahl sollte in allen Kursformen durch eine Lehrkraft unterrichtet werden. „Beste Bildung“ und guter Unterricht können nur durch Lehrerinnen und Lehrer gewährleistet werden. Lehrer-Schüler und Schüler-Schüler-Interaktionen sind wesentlich, um die § 2 des SchulG verankerten Bildungsziele der Schüler – gerade auch in der Oberstufe- zu erreichen.
Dies wird durch das systemische Prinzip selbstgesteuerten Lernens unterwandert. Diese vorgesehene Anpassung ist aus unserer Sicht nicht nur eine Absage an die Qualität von Unterricht. Der PhV NW sieht dahinter des Weiteren ein Sparmodell, also ein perspektivisches Einsparen von Lehrerstellen. Es lässt sich aus unserer Sicht die Gefahr ableiten, dass mit dieser Änderung ein Mittel gegen (fachliche) Lehrerunterversorgung im Gesetzestext implementiert wird.
Aus keiner geltenden Rechtsbestimmung ist zu entnehmen, dass dieser erhebliche Arbeitsaufwand als Wochenstunde auf das Unterrichtsdeputat angerechnet wird. Es werden daher wieder neue Aufgaben der Systemzeit der Kolleginnen und Kollegen zugeordnet. Eine geringere Anrechnung von Kursen mit in Teilen selbstgesteuertem Lernen führt zudem in vielen Fällen mit entsprechender Zunahme der Kurszahlen zu einer Erhöhung der Korrekturen.
Aus Sicht des PhV ist es nicht akzeptabel, selbstgesteuertes Lernen in der Oberstufe systemisch zu implementieren. Schulen mit besonderen Lernzeitmodellen, sollte ein entsprechendes Antragsgenehmigungsverfahren über die obere Dienstaufsichtsbehörde nach Vorlage entsprechender pädagogischer und didaktischer Konzepte entsprechend ermöglicht werden.

Zu Nr. 1 (b) § 6 Abs 12 neu
Diese Präzisierung begrüßen wir und betrachten sie im Sinne einer qualitativen Anpassung im Hinblick auf die Möglichkeit des erfolgreichen Erreichens eines Schulabschlusses der Sportlerinnen und Sportler an der jeweiligen Schulform Gesamtschule oder Gymnasium.

Zu Nr. 2 § 13 APO-GOSt
Grundsätze der Leistungsbewertung, Nachteilsausgleich

Abs. 7
Der PhV NW begrüßt die Konkretisierungen zur Gestaltung des Nachteilsausgleichs in der S II von Prüfungsverfahren. Die Ergänzung des Wortes „Nachteilsausgleich“ erachten wir daher als hilfreich, da der Nachteilsausgleich in der Oberstufe sich auf die Veränderung der äußeren Rahmenbedingungen bezieht und nicht auf eine Veränderung des Anspruchsniveaus bzw. der fachlichen Anforderungen. Daher begrüßen wir diese Anpassung mit Blick auf das Bildungsziel, den Gleichbehandlungsgrundsatz und den zu vergebenden Abschluss Abitur.

neu Abs. 8
Aus Sicht des PhV NW ist diese Anpassung so zu verstehen, dass bei besonders schwerer Beeinträchtigung durch LRS offenbar die Schulleitung über Nachteilsausgleich entscheiden soll. Die derzeitige Verantwortlichkeit bei der Schulaufsichtsbehörde sehen wir jedoch nach wir vor dort besser verortet, da Schulleitungen nicht die erforderlichen Kompetenzen für die Beurteilung von LRS-Gutachten haben. Die begleitenden Institute, Beratungsstellen u. Ä. machen in der Regel Eltern und Schülern Vorschläge zu Forderungen beim Nachteilsausgleich, die nicht immer im Bereich des rechtlich Möglichen liegen.

Zu Nr. 3 § 26 Abs. 4 Fachprüfungsausschüsse
Der PhV NW begrüßt die grundsätzliche Erweiterung, Lehrkräfte mit Zertifikatskus als Fachprüfer ohne zusätzliches Genehmigungsverfahren zuzulassen. Dies trägt als Maßnahme zum Abbau von Bürokratie bei. In Bezug auf die Oberstufe muss allerdings folgende Ergänzung vorgenommen werden: „Fachprüferin oder Fachprüfer kann auch eine Lehrkraft sein, der eine unbefristete Unterrichtserlaubnis für die gymnasiale Oberstufe in dem Fach zuerkannt worden ist (Zertifikatskurs SII).

Zu Nr. 4 § 36 Mündliche Abiturprüfungen im ersten bis dritten Abiturfach
Abs. 2
Das Entfallen der sogenannten Abweichungsprüfung ist im Sinne der Entlastung der Kolleginnen und Kollegen positiv zu bewerten. Hier werden aus unserer Sicht für die Kolleginnen und Kollegen beim Wegfall der Abweichungsprüfung spürbar Aufgaben entfallen, wie das Erstellen zusätzliche Prüfungsaufgaben, Fachprüfungsausschüsse und Prüfungsdurchführungen.

neu Abs. 3
Die Möglichkeit, sich freiwillig für eine mündliche Prüfung im 1.-3. Fach zu melden, wird beibehalten und ist im Sinne der Schülerinnen und Schüler positiv zu bewerten.

neu Abs. 5
Der PhV NW begrüßt diese Änderung zum Entfall der Abweichungsprüfung, die eine Arbeitsersparnis für die Lehrkräfte darstellt, auch wenn der Fall eher nur theoretisch vorkommt.  Wenn aber doch, ist dies eine Entlastung für Lehrerinnen und Lehrer.

Zu Nr. 6 § 38 Gestaltung der mündlichen Prüfung
Abs. 3
Die Klarstellung, dass beide Prüfungsteile einer mündlichen Prüfung gleich lang sein müssen ist begrüßenswert. Die einheitliche Vorgabe erachtet der PhV NW hier als sinnvoll. Aus unserer Sicht ist es allerdings zwingend notwendig eine Klarstellung im Rahmen einer nachfolgend zu erlassenden Verwaltungsvorschrift vorzunehmen, für den Fall, dass ein Prüfling im ersten Prüfungsteil nach z.B. 3 min mit der Präsentation seiner Ergebnisse und Lösungen fertig ist. Hier werden nach unserem Kenntnisstand je nach Fach und Bezirksregierung in Informationsveranstaltungen unterschiedliche Aussagen getroffen. Daher bedarf es hier einer einheitlichen Regelung in einer VV, um dem Gleichbehandlungsgrundsatz in allen Teilen gerecht werden zu können.

Zu Nr. 7 § 40 a Fachhochschulreife schulischer Teil
Abs. 4
Der PhV NW begrüßt diese Anpassung, die praxisnah ist, dem Bürokratieabbau in der Schule dient und vorteilhaft für die Schülerinnen und Schüler ist.

Düsseldorf, den 28.01.2020

gez. Sabine Mistler

Vorsitzende des Philologen-Verbandes NW