Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der Eigenverantwortung von Schulen (16. Schulrechtsänderungsgesetz)
Stellungnahme
des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen
zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der
Eigenverantwortung von Schulen
(16. Schulrechtsänderungsgesetz) sowie zum Entwurf einer
Verordnung zur Anpassung schulrechtlicher Vorschriften
Verbändebeteiligung gem. § 77 Schulgesetz
Aktenzeichen: 221-2.02.02.01-164246
Sehr geehrter Herr Dr. Schrapper,
vielen Dank für die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme.
Zu § 2 Abs. 6 Nr 9
Der bisherige Paragraph weist grundsätzlich einen verantwortungsbewussten und sicheren Umgang mit Medien als Bildungsziel aus. Die neue Formulierung legt nicht mehr diesen allgemeinen Charakter fest, sondern fokussiert (nicht nachvollziehbar) auf die digitale Welt.
Um die grundsätzliche Medienbildung zu verankern, ist daher aus der Sicht des PhV NRW die nachfolgende Formulierung vorzuziehen:
- mit Medien – auch in der digitalen Welt – verantwortungsbewusst und sicher
umzugehen.
Zu § 3 Abs. 2
Aus der Begründung zu dieser Ergänzung erschließt sich für den PhV NRW aus der bisherigen Formulierung nicht die genaue Intention. Eine bildungsgangspezifische Schwerpunktsetzung, im Sinne einer besonderen Gesamtkonzeption, erkennen wir nicht. Somit halten wir die Ergänzung folglich für entbehrlich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Gymnasium eine Schulform mit nur einem Bildungsgang ist.
Zu § 8 Abs 2 i.V. mit § 65 Abs 2 Nr. 6
Gemäß der Reihung in der Überschrift „Unterricht, Unterrichtsorganisation, Digitalisierung“ müsste der neue Abs 2 eigentlich zuletzt aufgeführt werden.
Den in der Schulrealität gegebenen Sachstand in eine Rechtsform zu gießen ist nachvollziehbar und richtig, insbesondere auch in Form einer „Kann“-Bestimmung.
In der Erweiterung der Mitbestimmung im Rahmen der Schulkonferenz in Abs 2 Nr. 6 sehen wir ein Problem. Der Entscheidungsspielraum der Schulkonferenz ist nach unserer Auffassung zu ungenau gefasst. Die Übertragung derartiger Kompetenzen könnte Konflikte nach sich ziehen und ist nicht geeignet, den Frieden in den Schulen in entscheidenden Fragen der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Eltern, Lehrern und Schülern untereinander zu sichern. Im Gegenteil: Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass es sehr wohl unterschiedliche Interessen bei der Nutzung digitaler Arbeits- und Kommunikationsplattformen gibt.
Es handelt sich hier z.B. um grundsätzliche Fragen der Arbeitszeit und Erreichbarkeit von Lehrkräften.
Viele dieser Fragen konnten im Rahmen der Dienstvereinbarung LOGINEO NRW und den dazugehörigen Produkterweiterungen rechtssicher geklärt werden. An den Schulen, an denen diese Plattform nicht genutzt wird, fehlen derartige Regelungen oft. Leider hat es der Dienstherr bisher versäumt, den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Nutzung digitaler Arbeits- und Kommunikationsplattformen für Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler flächendeckend im Land umzusetzen.
Diese Regelung muss aus Sicht des PhV NRW auf Landesebene verantwortungsvoll getroffen werden. Ein Delegieren der Behandlung derartiger Fragen in die jeweiligen Schulkonferenzen hält der PhV NRW für nicht angemessen. Diese Regelung ist zur Beantwortung derartiger Fragen daher aus unserer Sicht ungeeignet. Sie sollte daher aus dem Entwurf gestrichen werden.
Zu § 11 Abs. 6
Die verbindliche Einführung eines Beratungsgespräches durch die weiterführende Schule bei fehlender entsprechender (auch eingeschränkter) Schulformempfehlung ist richtig, aber bereits gelebte Praxis. Aus PhV NRW Sicht ist diese Ergänzung jedoch nicht ausreichend, da der Primat des Elternwillens nach wie vor einer kompetenten und am Wohle des einzelnen Kindes orientierten Beratung jegliche Verbindlichkeit entzieht. Aus unserer Sicht muss darüber hinaus das vorgezogene Anmeldeverfahren abgeschafft werden, um den Eltern die Wahl und den weiterführenden Schulen die freie Möglichkeit der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern zu eröffnen. Es kann nicht sein, dass Gymnasien, vor allem in ländlichen Regionen, Schülerinnen und Schüler mit einer Hauptschulempfehlung aufnehmen müssen, weil diese an anderen weiterführenden Schulen keine Aufnahme erhalten haben. Dies kann weder im Sinne der Schülerinnen und Schüler noch im Sinne einer auf Qualität und Chancengerechtigkeit ausgerichteten Bildung sein.
Zu § 12, § 16
Aus Sicht des PhV NRW gehört das Gymnasium, gem. Art. 29 Abs 2, zu den Schulformen, die ausschließlich auf die allgemeine Hochschulreife ausgerichtet sind
(GpA, KMK Beschluss vom 15. Oktober 2020). Dies entspricht auch den in § 16 Abs 1 SchulG festgelegten Bildungszielen. Daher fordern wir für die Formulierung „…eines dem 1. Schulabschluss gleichwertigen Abschluss“ beizubehalten. In der vom MSB intendierten Regelung vergäbe sonst das Gymnasium alle Schulabschlüsse. Als Minimalkompromiss ist die Vergabe des Mittleren Schulabschlusses am Ende der Klasse 10 (G9) bzw. nach der EF (G8) zu sehen. Wir
verweisen hier auf die Möglichkeit der oben zitierten Formulierung für den Bereich der sonderpädagogischen Förderung (Entwurf § 19), die so in der KMK
Beschlussfassung ebenfalls so nicht vorgegeben ist (vgl. (4) des Art. 29).
Zu § 42 Abs 6 i.V.zu § §65 Abs 2 Nr. 14
Eine Auseinandersetzung der Schulen mit dem Thema „Gewalt und sexueller Missbrauch“ halten wir für angebracht angesichts der schulischen Realität. Der
Philologenverband erwartet, dass das MSB und QUA-LiS Musterkonzepte zur Verfügung stellen, die von den einzelnen Schulen auf die jeweiligen Bedürfnisse
angepasst werden können und nicht, wie so oft, dass alle Schulen im Land parallel das Gleiche entwickeln müssen. Lehrerinnen und Lehrer sind außerdem nicht aus ihrer Rolle heraus Experten in dieser Thematik.
Zu § 53
(6) An den Gymnasien gibt es nur ein erweitertes Mitglied der Schulleitung, dies ist die stellvertretende Schulleitung. Um hier eine klare und einheitliche Handhabe zu ermöglichen, wäre daher aus unserer Sicht nicht die Formulierung „Mitglied der Schulleitung“ sondern die stellvertretende Schulleitung zu benennen.
Zu § 75 Abs. 3
Der PhV NRW lehnt diese Anpassung ab. Schulstufenspezifische Mitwirkungsgremien sind sehr wichtig, stellen aber grundsätzlich eine beachtliche Erhöhung der Arbeitslast dar (Schulkonferenzen, Schulpflegschaft, Schülervertretungen), insbesondere auch für die Schulleitungen und ggf. mehrfach beteiligte Lehrkräfte. Aus PhV NRW Sicht ist die Notwenigkeit fraglich, insbesondere mit dem Blick auf Grundsatzentscheidungen, die dann von allen Teilkonferenzen
einzeln, aber doch gleichsam zu treffen sind. Diese erweiterte Möglichkeit wird zu vermehrten Abstimmungsprozessen führen (vor allem bei unterschiedlichen
Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen) und damit die Zahl der Konferenzen erhöhen. Wir sehen in dieser Möglichkeit keine Verbesserung und auch keine
Notwendigkeit einer solchen.
Zu § 87
Der PhV NRW lehnt diese Anpassung ab. Es besteht aus unserer Sicht keine Notwendigkeit, Lehrkräfte jenseits von Fachberatungsaufgaben, die sich nur auf
Unterrichtsfächer beziehen, mit allgemein schulfachlichen Aufgaben zu betrauen. Die Mehrzahl der schulaufsichtlichen Aufgaben bedarf umfänglicher Kompetenzen, insbesondere auf der Leitungsebene, die bei „normalen Lehrkräfte“ nicht vorausgesetzt werden können.
Zu § 121
In der DV LOGINEO NRW ist festgeschrieben, dass die Nutzung von LOGINEO NRW freiwillig ist. Demzufolge kann die Datenverarbeitung personenbezogener
Daten für Lehrkräfte im Rahmen des Einsatzes von Lehr- und Lernsystemen sowie Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsystemen nur nach vorheriger Einwilligung der einzelnen Lehrkraft zu Nutzung erfolgen.
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Anpassung schulrechtlicher Vorgaben
Artikel 2 APO-S I: vgl. Ausführungen zu §§ 12 und 16
Artikel 3 APO-GOSt: vgl. Ausführungen zu § 12, 16 (insbes. zu Nr 4: § 40 Abs. 2)
Düsseldorf, den 03. November 2021
gez. Sabine Mistler
Vorsitzende PhV NRW