PhV NRW sieht die Qualität der Lehrkräfteausbildung in Gefahr

Kategorien: PressemitteilungenVeröffentlicht: 09.09.2022
  • NRW-Philologen: Referendariat soll wieder zwei Jahre dauern
  • Weniger Zeit für praktische Lehrkräfteausbildung führt zu Problemen
  • Erhöhung der Anrechnungsstunden für Fachleitungen gefordert

Düsseldorf, 9. September 2022. Der nordrhein-westfälische Philologenverband (PhV NRW) warnt vor einem deutlichen Qualitätsverlust bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Nordrhein-Westfalen. Hintergrund ist die Verkürzung der Referendariatszeit von zwei auf anderthalb Jahre durch die Bologna-Reform. Gleichzeitig erhalten Fachleiterinnen und Fachleiter, die für die Ausbildung der angehenden Lehrkräfte zuständig sind, weniger Ausgleich für die geleistete Zeit, die sie beispielsweise für Unterrichtsbesuche, Beratungen oder Seminare einplanen müssen. „Wir befürchten daher eine drastische Verschlechterung der Ausbildungssituation”, warnt Patrick Albrecht, stellvertretender Landesvorsitzender des PhV NRW.

Die 18 Monate, die derzeit für die praktische Ausbildung von jungen Lehrkräften eingeplant sind, reichen aus Sicht des PhV NRW nicht aus, um sich die im Unterricht geforderten Fähigkeiten mit der notwendigen Nachhaltigkeit anzueignen. „Zumal es sich auf Grund von Terminsetzungen durch Schule und Seminar unter dem Strich nur um eine Netto-Ausbildungszeit von einem Jahr handelt“, erklärt PhV-Vize Albrecht. Dieser an sich schon kurze Zeitraum ist überdies durch eine extreme Termindichte gekennzeichnet, da die Referendarinnen und Referendare verpflichtet sind, insgesamt zehn Unterrichtsbesuche in unterschiedlichen Lerngruppen zu absolvieren. So bleibt ihnen jeweils kaum Zeit, ihre Schülerinnen und Schüler kennen zu lernen und sich auf die wechselnden Unterrichtsbedingungen einzustellen. „Damit ist auch die Möglichkeit, Lernfortschritte zu erzielen, erheblich eingeschränkt.“

Die in der Lehrkräfteausbildung tätigen Fachleiterinnen und Fachleiter stellt diese Situation gleich vor mehrere Probleme. Die sogenannten Anrechnungsstunden, die sie je Lehramtsanwärterin oder Lehramtsanwärter als Zeitausgleich erhalten, sind erheblich gekürzt worden. „Sie haben also weniger Zeit, aber müssen gleichzeitig mit Seminargruppen umgehen, die im Vergleich zu früher deutlich heterogener geworden sind und deshalb sehr unterschiedliche Ausbildungsbedürfnisse haben“, sagt Patrick Albrecht.

Durch die Verringerung der Anrechnungsstunden steigt für die Fachleitungen die eigene Unterrichtsverpflichtung automatisch an. „Die Kolleginnen und Kollegen geraten dadurch in eine extreme Belastungssituation, da sie ja weiterhin neben ihrem Unterricht regelmäßig den Unterricht ihrer Referendarinnen und Referendare besuchen und begutachten sowie Beratungsgespräche mit ihnen führen müssen.“ Unterrichtsbesuche sind häufig mit vielen Absprachen und hohem logistischen Aufwand verbunden, die zufolge haben, dass Fachleiterinnen und Fachleiter in ihrem eigenen Unterricht fehlen.

Langfristige Konsequenzen sind Unterrichtsausfälle, Vertretungsunterricht sowie Störungen in der Kontinuität des eigenen Unterrichts. Das wiederum kann zu einer erheblichen Mehrbelastung bei den Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, aber auch zu Unmut bei Schülerinnen und Schülern sowie Eltern führen. Dass diese Gemengelage sich nur negativ auf die Qualität der Lehrkräfteausbildung und die Qualität von Unterricht, Bildung und Erziehung auswirken, liegt auf der Hand. Für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen kommt aber hinzu, dass die hohe Arbeitsbelastung sich allmählich zu einer echten gesundheitlichen Gefährdung entwickelt.

Der Philologenverband fordert daher eine spürbare Entlastung der Fachleiterinnen und Fachleiter durch eine nachhaltige Erhöhung der Anrechnungsstunden pro Referendar/Referendarin sowie eine Rückführung der Dauer des praktischen Teils der Lehrerausbildung auf zwei Jahre.

Unterstützt werden die Forderungen von den Jungen Philologen, die sich im PhV NRW sowie dem Deutschen Philologenverband (DPhV) um die Belange der Lehramtsstudierenden, der Referendarinnen und Referendare sowie der jungen Lehrkräften kümmern. „Die aktuelle Schieflage bei dem Verhältnis von Unterricht unter Anleitung und Selbstständigem Unterricht macht deutlich, dass auf Kosten der Ausbildungsqualität gespart wird. Fachleitungen sind mit den betreuenden Lehrkräften an den Schulen die entscheidenden Faktoren für Qualität in der Ausbildung. Durch eine weitere Kürzung für Betreuung und Beratungsprozesse, verschlechtern sich die Ausbildungsbedingungen weiter“, sagt Georg-Christopher Hoffmann, Vorsitzender der Jungen Philologen im Bund und in NRW. „Wer beste Bildung will, muss beste Bedingungen für die Lehrerausbildung schaffen.“

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