Lehrer als Dienstleister? Pflichten, Ansprüche und Grenzen

Kategorien: Bezirk Köln, Bonn/Rhein-SiegVeröffentlicht: 13.01.2023

Lehrerinnen und Lehrer sehen sich oft mit ihre Arbeitszeit entgrenzenden Ansprüchen von Eltern und Beanspruchungen von Dienstvorgesetzten konfrontiert. In einer nachmittäglichen Fortbildungsveranstatung mit dem Titel „Lehrer als Dienstleister?“, zu der die Vorsitzende des Philologenverbands-Bezirks Bonn/Rhein-Sieg Jutta Bohmann bei Mittagsimbiss, Kaffee, Kuchen und Erfrischungsgetränken am 13. Dezember 2022 in das evangelische Gemeindezentrum Niederkassel eingeladen hatte, konnte der Justitiar des Philologenverbandes NRW Stefan Avenarius – mit vielen Beispielen aus der Praxis illustriert – den rund zwanzig teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen größere rechtliche Sicherheit in der Wahrnehmung ihrer Pflichten und Rechte vermitteln.

Bezüglich des dienstrechtlichen Rahmens verwies Herr Avenarius zunächst darauf, dass die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz nach § 34 des Beamtenstatusgesetzes (sinngemäß genauso auf tarifbeschäftigte Lehrerinnen und Lehrer anzuwenden) Beamte auch zur Erhaltung ihrer Gesundheit verpflichte. Hingegen bestehe kein Dienstvertrag mit den Eltern und damit auch keine Pflicht, Aufträge von Eltern entgegenzunehmen.

Allerdings sei im Rahmen der vom Schulgesetz (§ 2, Abs. 3) geforderten partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Schule und Eltern ein kontinuierlicher Dialog mit den Eltern notwendig, woraus aber keine Pflicht der Lehrerinnen und Lehrer zur ständigen Erreichbarkeit folge. So sehe die ADO (§ 9) zwar regelmäßige Sprechstunden und einen halbjährlichen Elternsprechtag vor, Eltersprechtermine außerhalb dieses Rahmens seien aber ausdrücklich der Ausnahmefall. Eine ersatzweise telephonische Beratung könne eine Lehrekraft anbieten, sei aber hierzu nicht verpflichtet.

Ebenso entschieden Lehrerinnen und Lehrer in eigener Verantwortung, ob sie ihre Telephonnummer bekannt gäben.  Ohne Zustimmung einer Lehrkraft dürften auf der Schulhomepage folgende Daten bekannt gegeben werden: Namen, Titel, akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und dienstliche Rufnummer. Ein Photo dürfe nur mit Zustimmung der Lehrkraft veröffenlicht werden. Eine Veröffentlichung des Vertretungsplanes auf der Schulhomepage sei nur zulässig, wenn sie passwortgeschützt sei und damit nur betroffene Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schülerinnen und Schüler Zugriff erhielten.

Der letzte Themenblock des Fortbildungsnachmittages war der Arbeitszeitbemessung gewidmet. Für Lehrerinnen und Lehrer gelte grundsätzlich die wöchentliche Arbeitszeit des übrigen öffentlichen Dienstes,  d. h. 41 Wochenstunden (& 60 Abs. 1 LBG NRW). Im Einzelnen gesetzlich festgelegt sei aber nur die wöchentliche Unterrichtspflichtstundenzahl. Für alle anderen Dienstpflichten gebe es keine zeitlichen Vorgaben, das heiße z. B. weder Pausenzeiten noch Anwesenheitszeiten in der Schule noch Springstunden bei Vollzeit seien geregelt. Dennoch bedeute dies nicht, dass Lehrkräfte diesbezüglich einer Willkür ausgeliefert seien, denn die Rechtsgedanken der sich formal nicht auf Lehrkräfte erstreckenden Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten im Lande NRW (AZVO) sollten auch auf diese Anwendung finden.

Der Umstand, dass die Lehrerarbeitszeit nur bezüglich der wöchentlichen Unterrichts-Pflichtstunden rechtlich klar definiert sei, führe in der Praxis dazu, dass Mehrarbeit Lehrkräften in der Regel nur bei Unterrichtstätigkeit vergütet werde, was aber spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 14.05.2019 (Aktenzeichen C-55/18), das jeden Arbeitgeber dazu verpflichte, ein System zur Erfassung der gesamten von den Arbeitnehmern geleisteten Arbeitszeit für seine Beschäftigten einzurichten und auch davon Gebrauch zu machen, rechtlich bedenklich sei. Sofortiger Handlungsdruck zur Umsetzung dieses Urteils durch alle deutschen Arbeitgeber besteht nun seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 13.09.2022 (Aktenzeichen ABR 22/21), das alle deutschen Arbeitgeber zur Einhaltung des EUGH-Urteils bereits heute verpflichtet.

Es wird also spannend in diesem Jahr für die künftige Erfassung und Bemessung der Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfallen und ganz Deutschland!