Stellungnahme des PhV NRW zum Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/9471 “Zukunftsweisend, lebensnah und innovativ: Erlernen von Wirtschafts- und Finanzkompetenz in der Schule neu ausrichten”

Kategorien: StellungnahmeVeröffentlicht: 07.10.2024

Zukunftsweisend, lebensnah und innovativ: Erlernen von Wirtschafts- und Finanzkompetenz in der Schule neu ausrichten
Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/9471

        Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung
am 8. Oktober 2024

Stellungnahme des Philologenverbandes
Nordrhein-Westfalen

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident Kuper,

vielen Dank für die Einladung zur Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Schule und Bildung zum Antrag der FDP-Fraktion mit der Drucksache 18/9471 und der Möglichkeit einer differenzierten schriftlichen Stellungnahme. Hiermit legen wir unsere Positionen zu diesem wichtigen Thema dar.

Wir begrüßen grundsätzlich die Idee, ökonomische Bildung als Teil des schulischen Bildungsauftrages zu betrachten, möchten jedoch einige wichtige Aspekte und Bedenken hervorheben; den im Antrag “Erlernen von Wirtschafts- und Finanzkompetenz in der Schule neu ausrichten” dargelegte Ansatz der Förderung ökonomischer Bildung nehmen wir als deutlich zu eindimensional wahr.

Zunächst ist es wichtig anzuerkennen, dass ökonomische Bildung bereits in nicht unerheblichem Maße in den Lehrplänen der nordrhein-westfälischen Schulen verankert ist. Mit dem Fach Sozialwissenschaften und der Einführung des Faches Wirtschaft-Politik existieren bereits Fächer, die explizit wirtschaftliche Themenschwerpunkte in den entsprechenden Kernlehrplänen aufweisen. Zum Inhalt hat sich der PhV NRW in der Vergangenheit schon ausführlich geäußert.[1] Diese Fächer bieten den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich intensiv mit

ökonomischen Fragestellungen auseinanderzusetzen und ein fundiertes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge zu entwickeln. Gleichzeitig ist wissenschaftspropädeutisches Lernen ein Spezifikum des Gymnasiums und der gymnasialen Oberstufe. Die Forderung nach Lebensnähe darf nicht zu einer pauschalen Reduzierung auf das Anfertigen einer Steuererklärung hinführen. Wissenschaftspropädeutisches Lernen bedeutet, dass ein Thema im Kern durchdrungen und auf die Lebenswirklichkeit mit wissenschaftlichen Methoden angewendet werden kann. Die fachliche Expertise der Lehrkräfte ist bei der Vermittlung von Wissen dabei von entscheidender Bedeutung.

Ein zentrales Anliegen des PhV NRW ist es, dass Wirtschaftsthematiken immer in einem gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden sollten. Die wechselseitigen Abhängigkeiten von Wirtschaft und Politik sind komplex und erfordern eine ganzheitliche Betrachtung. Eine isolierte Vermittlung ökonomischer Inhalte ohne Berücksichtigung des politischen und gesellschaftlichen Kontextes würde dieser Komplexität nicht gerecht werden. Diesen Umstand sehen wir in den Fächern Sozialwissenschaften und Wirtschaft-Politik als bereits gegeben an. Einen Leistungs- oder Grundkurs mit rein ökonomischem Schwerpunkt im Abitur anzubieten, erachten wir daher, nicht nur aus Mangel an entsprechend ausgebildeten Lehrkräften, als nicht zielführend.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den wir in dieser Stellungnahme hervorheben möchten, ist die Belastung der Lehrkräfte. Die Einführung neuer Fächer oder zusätzlicher Unterrichtsinhalte führt zu einer deutlichen Mehrbelastung für die Lehrerinnen und Lehrer. Bereits jetzt arbeiten viele Lehrkräfte an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Es ist daher unerlässlich, bei der Planung und Umsetzung neuer Bildungsinhalte die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte zu berücksichtigen und im Vorfeld bereits entsprechende Entlastungsmaßnahmen zu ergreifen.

In der Ausweitung der Angebote von Lehrerfortbildungen im Bereich der ökonomischen Bildung sehen wir dagegen großes Potenzial und begrüßen den

Vorstoß der FDP. Lehrkräfte, die sich freiwillig in Wirtschaftsthemen weiterbilden möchten, sollten die Möglichkeit erhalten, entsprechende Fortbildungsangebote wahrnehmen zu können. Die Lehrkräfte haben ein originäres Interesse an möglichst lebensnahem Unterricht, der ihnen die Vermittlung abstrakten Wissens ermöglicht. Fortbildungen bieten die Chance, das Wissen und die Kompetenzen der Lehrkräfte gezielt zu erweitern und somit die Qualität des Unterrichts direkt und für alle spürbar zu verbessern.

Düsseldorf, den 1. Oktober 2024

Mit freundlichen Grüßen

gez. Sabine Mistler
(Vorsitzende PhV NRW)


[1] Schulfach Wirtschaft kritisiert | PhV NRW (phv-nrw.de)