Folgen der Coronapandemie spüren Lehrkräfte bis heute

Kategorien: PressemitteilungenVeröffentlicht: 13.03.2025
  • Vor fünf Jahren wurden NRW-Schulen in den Lockdown geschickt
  • Großbaustellen: Digitalisierung, Gesundheitsschutz, Elternarbeit
  • Strukturelle Veränderungen im Bildungssystem sind notwendig

Düsseldorf, 13. März 2025. Genau heute vor fünf Jahren entschied das Landeskabinett in Nordrhein-Westfalen, sämtliche Schülerinnen und Schüler sowie alle Beschäftigten in den Lockdown zu schicken. Es war ein Freitag, von Montag an galt für alle: Schulen zu, Laptop auf! Unterrichtet wurde ab dem 16. März 2020 im digitalen Sichtflug. „Leicht hätte die Pandemie zu jener Bildungskatastrophe führen können, die heute häufig bemüht wird, wenn über Schule gesprochen wird“, sagt Sabine Mistler, Landesvorsitzende des Philologenverbandes NRW (PhV NRW). „Tatsächlich aber sind Verheerungen in den Coronajahren ausgeblieben. Salopp gesprochen hat den Laden irgendwer am Laufen gehalten. Und das waren wir Lehrkräfte.“

Der Zustand der akuten Gefährdung mag zwar vorbei sein, die politischen und sozialen Folgen von Corona sind es nicht. „Die Pandemie hat die Schwachstellen des Systems Schule offengelegt“, sagt Mistler. „Leider war der Lerneffekt nicht an allen Stellen sehr groß.“

Fünf Beispiele zeigen, dass die Probleme geblieben sind

Beispiel Digitalisierung: Corona & Co. haben offenbart, wie lückenhaft Digitalisierung in den Schulen verankert ist. Zwar wurde durch den Digitalpakt 1.0 Geld bereitgestellt, doch die Umsetzung lief zumeist chaotisch. Heute sind wir nicht sehr viel weiter, Bund und Länder ringen um den Digitalpakt 2.0, die ungleiche digitale Infrastruktur in NRW macht es kaum möglich, Lehren und Lernen flächendeckend so zu gestalten, dass alle Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler die digitalen Lehr- und Unterrichtsmittel nutzen können.

Was wir jetzt brauchen: Zeitgemäße IT-Infrastrukturen und vergleichbare Hardwareversorgung; zentrale, DSGVO-konforme und benutzerfreundliche digitale Plattformen; digitale Didaktik als fester Bestandteil der Lehrkräftebildung; einheitliche digitale Plattformen und klare Standards für digitalen Unterricht; fortlaufende Qualifizierungs- und Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte; im Zusammenhang mit KI – notwendige Ressourcen und einen verbindlichen Handlungsrahmen.

Beispiel Lehrkräftegesundheit: Der Dauerkrisenmodus an Schulen, befeuert durch Lehrermangel, reduzierte Teilzeitmöglichkeiten, regelhafte Mehr- und Zusatzarbeit, Gewalterfahrungen und dienstlicher Hochdruck hinterlässt Spuren, wie Zahlen zu Krankheitstagen und Teildienstanträgen zeigen.

Was wir jetzt brauchen: Fürsorgepflicht des Dienstherren, die ihren Namen verdient; verlässlicher Arbeits- und Gesundheitsschutz; gerechte Verteilung der Arbeitsbelastungen; null Toleranz beim Thema Gewalt gegen Lehrkräfte.

Beispiel auffällige Schülerinnen und Schüler: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit psychischen Belastungen ist seit dem Beginn der Coronapandemie drastisch gestiegen, was durch den Krieg gegen die Ukraine, den Überfall der Hamas und die Ausweitung des negativen Einflusses und des Konsums von Social Media verstärkt wurde. Ängste, Depressionen, soziale Unsicherheiten – all das belastet den Schulalltag und erschwert das Lernen und Lehren. Doch Schulen haben kaum Ressourcen, um diesen Problemen angemessen zu begegnen.

Was wir jetzt brauchen: flächendeckenden (schnellen) Zugang zu Schulpsychologie und Sozialarbeit an allen Schulen; verbindliche Konzepte zur Prävention psychischer Belastungen unter verbindlichem Einbeziehen der Eltern; Ausweitung externer Beratungsstellen, um schnelle Hilfe zu ermöglichen.

Elternberatung als fester Bestandteil im Schulsystem

Beispiel Elternarbeit: Die Pandemie hat vielfach Eltern in die Rolle von Ersatzlehrkräften gedrängt – nicht wenige waren damit überfordert. Doch auch nach der Krise zeigt sich, dass Eltern oft nicht wissen, wie sie ihre Kinder beim Lernen unterstützen können. Gleichzeitig haben Schulen kaum Strukturen, um Eltern gezielt einzubeziehen, ohne sie zusätzlich zu stark zu belasten.

Was wir jetzt brauchen: Elternberatung als fester Bestandteil des Schulsystems; verständliche und realistische Kommunikationskonzepte zwischen Schule und Elternhaus; mehr (externe) niedrigschwellige Unterstützungsangebote für Familien; zusätzliche Ressourcen für Elternabende in der Schule z.B. für Veranstaltungen über Cybermobbing etc.; Eltern haben eine Bringschuld – Verantwortung für ihr Kind tragen in erster Instanz sie selbst.

Beispiel Fachlichkeit: Lehrkräfte können nicht alles allein bewältigen. Sie sind tagtäglich mit den Folgen gesellschaftlicher Defizite konfrontiert, während ihnen gleichzeitig immer neue Aufgaben aufgebürdet werden – von Integration und Inklusion über Digitalisierung bis hin zu psychologischer Betreuung. Dabei bleibt immer weniger Zeit für das, was Schule eigentlich leisten soll: guten Unterricht und echte Bildungsarbeit.

Was wir jetzt brauchen: Reduzierung fachfremder Aufgaben durch administrative Unterstützung; schulpsychologische und sozialpädagogische Unterstützung an jeder Schule; Reduzierung der Stundendeputate auf 23 Wochenstunden an Gymnasien und Gesamtschulen, vor allem für Lehrkräfte mit hohen Korrekturbelastungen; kleinere Klassen und eine deutliche Erhöhung der Anrechnungsstunden zur Entlastung.

Corona hat gezeigt: Krise können wir, Dauerkrise nicht

„Der Blick auf die Herausforderungen der vergangenen fünf Jahre hat gezeigt: Krise können wir, Dauerkrise nicht. Ein leistungsfähiges Bildungssystem benötigt mehr gesunde, motivierte und engagierte Lehrkräfte. Wir sind motiviert und engagiert, werden jedoch systemisch ausgebremst“, sagt Sabine Mistler. „Wir brauchen dringend Strukturen, die eine gute Bildung tatsächlich ermöglichen. Zeit für Unterricht und Pädagogik, echte Unterstützung in sozialen und digitalen Fragen, und vor allem eine langfristige Strategie, die Bildung wieder als gesamtgesellschaftliche Aufgabe versteht.“

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