Schulentwicklung mit Daten, Risiken und Nebenwirkungen

Kategorien: PressemitteilungenVeröffentlicht: 02.07.2025
  • PhV NRW begrüßt Ziele des heute vorgestellten Schulkompass
  • Datengestützte Schulentwicklung allein garantiert keinen Erfolg
  • Pädagogische Freiheit von Lehrkräften muss erhalten bleiben

Düsseldorf, 2. Juli 2025. Klare Ziele. Klarer Fokus. So beschreibt das nordrhein-westfälische Schulministerium seine künftige Ausrichtung – im Schulkompass NRW 2030, der heute der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist. Hintergrund der Neujustierung sind die jüngsten nationalen und internationalen Untersuchungen wie Pisa-Studie und IQB-Bildungstrend, bei denen Schülerinnen und Schüler aus NRW seit Jahren schlecht abschneiden, Tendenz laut Schulministerium weiter fallend.

Die vier Ziele sind, den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards nicht erreichen, zu verringern. Gleichzeitig soll der Anteil derjenigen steigen, die die Optimalstandards erreichen. Die sozial-emotionalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler sollen in den Blick genommen werden und mehr junge Menschen zu einem Abschluss an Berufskolleg mit „Anschlussperspektive“ geführt werden.

Lernerfolg liegt nicht nur an Lehrerinnen und Lehrern

Um die Ziele erreichen zu können, setzt das Ministerium vor allem auf Daten und hat vier Maßnahmen entwickelt, die in den kommenden Jahren zunächst freiwillig und dann verpflichtend an Schulen eingeführt werden. Dazu gehören: drei weitere Lernstanderhebungen (in den Klassen 2, 5 und 7), regelmäßige Befragungen von Schülerinnen und Schülern zum Unterricht, zur Schulkultur sowie zum persönlichen Wohlbefinden. Ein weiterer Punkt bezieht sich auf die sogenannte datengestützte Schulentwicklung, für die unter anderem verbindliche Zielvereinbarungen zwischen Schulen und Schulaufsicht geschlossen werden sollen.

Der nordrhein-westfälische Philologenverband (PhV NRW) begrüßt die vier vom Ministerium formulierten Ziele ausdrücklich. „Es ist dringender Handlungsbedarf“, so Mistler. Dennoch merken wir Bedenken an, was die konkrete Umsetzung der Maßnahmen im schulischen Alltag angeht. „Lernerfolg und Unterrichtsqualität lassen sich nicht allein per Datensammlung und Zielvereinbarungen erreichen“, warnt die PhV-Vorsitzende Sabine Mistler.

Zu einzelnen Punkten:

  • Lernstandserhebungen: Lernstandserhebungen dienen ausschließlich als Diagnoseinstrument über den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler und lassen keine direkten Rückschlüsse auf die Qualität des Unterrichts zu, weil es noch viele andere Faktoren gibt, die Auswirkungen auf die Leistungen haben, wie Konzentrationsfähigkeit, Motivation, Ablenkung durch digitale Medien. Die bisherige Vergleichsarbeit VERA 8 ist derzeit, wenn nicht bereits computerbasiert durchgeführt, aufwendig. Daher stellt sich aktuell noch die Frage nach Aufwand und Ertrag.

Es werden Daten erhoben, aus denen derzeit keine konsequenten Ableitungen für die individuelle Förderung hergeleitet werden. Eben dies ist nun über den Schulkompass NRW 2030 angedacht. Hier mahnen wir an, dass der Umgang mit den Daten und Ergebnissen entscheidend ist. Bei einer Ausweitung der Vergleichsarbeiten wird die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler genauer deutlich. Dennoch wird es schwierig bleiben, direkte Rückschlüsse auf die Qualität des Unterrichts zu ziehen. „Vergleichsarbeiten dürfen keinesfalls dazu benutzt werden, einseitig die Verantwortung für den Lernerfolg nur bei den Lehrkräften zu suchen. Diese liegt ebenso bei den Lernenden selbst und den Erziehenden.“

  • Zielvereinbarungen: „Mit den Zielvereinbarungen steigt der Druck auf die Schulen enorm, was ich für sehr problematisch halte“, erklärt Mistler. Zielvereinbarungen stehen in keinem Verhältnis zu den zur Verfügung stehenden Ressourcen von Lehrkräften, Schulleitungen und Schulaufsicht. „Was wir aber dringender benötigen, sind bessere Fördermaßnahmen, mehr Unterstützung sowie bessere Rahmenbedingungen der schulischen Arbeit.“

Pädagogische Freiheit von Lehrkräften in Gefahr

  • Schülerfeedback: „Die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte darf nicht infrage gestellt werden, sie ist ein hohes Gut des Lehrerberufs“, sagt Mistler. Feedback werde von vielen Lehrerinnen und Lehrern bereits regelmäßig eingeholt, die Ergebnisse dienten der Reflektion des persönlichen unterrichtlichen und pädagogischen Handelns. „Für die Einführung eines Feedbacks über ein spezielles Tool muss es klare Vorgaben darüber geben, welche Daten erhoben und wie damit umgegangen wird. Es darf nicht zu einer Bewertung der einzelnen Lehrkraft kommen.
  • Datensammlungen: Aus Sicht des PhV ist es richtig, Schulen die notwendigen Daten zu Schulstatistik, Qualitätsanalyse sowie Kompetenz- und Leistungsmessungen zur Verfügung zu stellen. Hier mahnen wir allerdings an, dass der Umgang mit den Daten und Ergebnissen entscheidend ist.

Die sukzessive Umsetzung der Vorhaben aus dem Schulkompass suggeriert ein tatsächliches Erproben und perspektivisches Mitgestalten, auch der Verbände. „Wir erwarten, dass dies auch so kommen wird. Denn wir haben nicht nur die berufspolitischen Belange unserer Lehrkräfte im Blick, wie beispielsweise mögliche Zusatzbelastungen durch neue Vorhaben, sondern auch bildungspolitische“, sagt Sabine Mistler.

20250702_PM_Schulkompass

Diesen Beitrag als PDF herunterladen: