COVID-19: Philologen-Verband NW kritisiert Druck auf Schulen durch kurzfristigen Wiedereinstieg
- Vorbereitungsdruck an Schulen durch morgigen Einstieg enorm hoch
- Keine Kompromisse beim Gesundheitsschutz für Lehrkräfte sowie und Schülerinnen und Schüler, Verantwortung liegt bei der Landesregierung
- PhV NW fordert maßvolles Vorgehen
Düsseldorf, 22.04.2020. Eine sichere und risikofreie Wiedereröffnung der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen am 23.04.2020 ist auch einen Tag vor dem geplanten Termin aus Sicht des Philologen-Verbandes Nordrhein-Westfalen (PhV NW) noch nicht gesichert. „Noch immer sind Fragen zum Gesundheitsschutz nicht abschließend geklärt und die Rahmenbedingungen für einen angstfreien und produktiven Unterricht nicht vollständig vorhanden. Da hilft es auch nicht, dass der morgige Schulbesuch der Abiturientinnen und Abiturienten auf freiwilliger Basis erfolgen soll. Die Landesregierung und besonders das Ministerium für Schule und Bildung müssen hier ihrer Verantwortung für die Schulen, die Lehrer und die Schüler endlich gerecht werden,“ erklärt Sabine Mistler, Vorsitzende des PhV NW.
Schulleitungen und Lehrkräfte arbeiten auf Hochtouren
An allen Gymnasien und Gesamtschulen in NRW sind Schulleitungen und Lehrkräfte intensiv damit beschäftigt, einen reibungslosen Start der Abschlussklassen in den Schulbetrieb zu ermöglichen. Wo immer es geht, wird versucht, die Vorgaben des Schulministeriums, die immer noch nicht in allen Bereichen eindeutig sind, umzusetzen, um einen bestmöglichen Infektionsschutz zu gewährleisten. Allerdings gibt es Rahmenbedingungen, die von den Schulleitungen nicht beeinflusst werden können. Weder die Anzahl der Toiletten und Waschbecken in den Schulen noch die Ausstattung mit Gesichtsmasken oder die Anschaffung von Desinfektionsmitteln können von den Schulen eigenständig beschlossen werden. Hier stehen die Schulträger und die Landesregierung in der Verantwortung. „Es kann beim Gesundheitsschutz keine Kompromisse und keine Abstriche geben. Daher müssen die verantwortlichen Stellen umfassend handeln und die Schulen unterstützen. Die gestrige Information aus dem MSB über die Möglichkeit des Bezugs von ausreichend Masken und Desinfektionsmaterial kommt spät, muss jetzt aber auch dringend genutzt werden. Es muss im Übrigen mehr Reinigungspersonal eingestellt werden, um in den Klassenräumen, den Aufenthaltsräumen und auf den Schultoiletten für eine Minimierung des Ansteckungsrisikos zu sorgen“, stellt Sabine Mistler bezüglich der Verantwortung der Regierung klar.
Unterricht in den kommenden Tagen kaum planbar
Die extrem kurzfristige Bekanntgabe der Schulöffnungen führt zu weitreichenden Problemen in der Unterrichtsplanung. So ist bis zum heutigen Mittwoch nicht überall geregelt, wie die Klassenräume aufgeteilt werden sollen, um den COVID-19-Abstandsregeln zu genügen. Hier muss wieder jede Schule individuelle Entscheidungen treffen! Auch eine endgültige Lehrereinteilung ist zum jetzigen Zeitpunkt an den Gymnasien und Gesamtschulen noch nicht flächendeckend möglich. „Es wird für alle Schulen eine große Überraschung sein, ob und wie viele Schülerinnen und Schüler tatsächlich morgen freiwillig in die Schulen zurückkommen. Eine strukturierte Vorausplanung ist so völlig unmöglich. Einmal mehr bleibt es an den Schulen hängen, die organisatorischen Mängel in der Vorbereitung auszugleichen“, erläutert Sabine Mistler. Präsenzunterricht und besonders Abiturvorbereitungen seien allerdings nur dann möglich, wenn es eine pädagogisch durchstrukturierte, angstfreie und konzentrierte Lernatmosphäre in den Klassenräumen gebe. Lehrerinnen und Lehrer bemühen sich mit großem Einsatz um diese Voraussetzungen, allerdings seien die Rahmenbedingungen hierfür denkbar schwierig.
Keine falschen Schwerpunktsetzungen
Die aktuellen Unstimmigkeiten bei der Vorbereitung der Schulöffnungen könnten nach Einschätzung des PhV NW auch die ordnungsgemäße und faire Durchführung der Abiturprüfungen ab dem 12.05.2020 gefährden. Denn je länger die aktuellen Verunsicherungen andauern und je ungleichmäßiger die Vorbereitungsarbeiten in den Schulen verlaufen, desto schwieriger wird es. Die Abiturientinnen und Abiturienten sollten an den Gymnasien und Gesamtschulen eine Umgebung vorfinden, die ihnen eine bestmögliche Prüfungsvorbereitung ermöglicht. Hier wäre es sinnvoller gewesen sich realistisch und verantwortungsvoll auf das Umsetzbare zu konzentrieren, ohne Termine in den Raum zu stellen, die kaum einhaltbar sind und für Verunsicherung sorgen“, beschreibt Sabine Mistler die Situation.
Das Lernen auf Distanz nicht aus dem Blick verlieren
Aus Sicht des PhV NW unternehmen die Schulleitungen und Lehrkräfte alles in ihrer Macht Stehende, um ihren Schülerinnen und Schülern ab morgen einen hochwertigen Präsenzunterricht und Prüfungen zu bieten. Dies wird aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen und der freiwilligen Unterrichtsteilnahme nicht überall möglich sein. Im Kontext der Fokussierung auf die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen, darf die große Mehrheit der anderen nicht vergessen werden. Das Lernen auf Distanz geht weiter und hier müssen die Anstrengungen und Herausforderungen sowie emotionalen und pädagogischen Belastungen aller Beteiligten, Lehrkörper wie Schülerinnen und Schülern und Eltern ernst genommen werden. „Wir brauchen Unterstützung bei der Notlösung des Lehrens und Lernens auf Distanz. Nicht alle Schülerinnen und Schüler haben einen Zugang zu digitalen Lerngeräten und eine angemessene Lernumgebung. Damit gibt es keine Chancengleichheit für allen Lernenden“, gibt Sabine Mistler abschließend zu bedenken.